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BAG: Von der Verdachtskündigung zur Tatkündigung
Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung sozial nur dann gerechtfertigt ist, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigt hätten.
Bei dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.11.2013, Az.: 2 AZR 797/11, war der Prüfungsmaßstab für eine ordentliche Verdachtskündigung Gegenstand der Entscheidung. Wie mehrfach in der Vergangenheit ging es auch in diesem Fall um eine Kassiererin, die verdächtigt wurde, gewisse Geldbeträge unterschlagen / veruntreut zu haben. Die außerordentliche fristlose Kündigung war in dem entschiedenen Fall nicht gerechtfertigt, weil dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung der Kassiererin selbst bei Vorliegen einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachtes bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar sei, da die Kassierein über rund 18 Jahre hinweg loyal für den Arbeitgeber gearbeitet hat und es um einen Betrag von ca. 12 Euro ging. Des Weiteren war die Verfahrensweise, wie die Kassierer mit "liegengebliebenem" Geld umgehen sollten, nicht eindeutig im Betrieb geregelt.
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die ordentliche Kündigung für wirksam angesehen. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Revision diese Auffassung nicht tragen können und die Würdigung des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft angesehen. Nach der höchstrichterlichen Entscheidung ist eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehe kein Unterschied zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten müsse der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein, so auch BAG-Urteil vom 29.11.2007, Az.: 2 AZR 724/06. Zum anderen gelte dies für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG müsse diese zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung sei die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG "bedingt".
Angesichts der jeweils aus Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedürfe das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruhe auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, der unter dem dringenden Verdacht eines Verhaltens steht, das eben zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde. Bestehe dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiege bei der Güteabwägung im Rahmen von Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen "Unschuldigen" zu treffen, nicht in Kauf.
Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachtes zuzumuten. Weder liege ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers, noch liege ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung "bedingen" könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist - wie stets bei der Verdachtskündigung - nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesarbeitsgericht gerade für diesen Fall von der Verdachts- auf die Tatkündigung übergeht, so dass eine Kündigung trotzdem gerechtfertigt sein kann. Im streitgegenständlichen Fall konnte allerdings die Tat aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Und genauso interessant ist, dass das Bundesarbeitsgericht die Begründung der Kündigung im Rahmen des § 102 BetrVG in Bezug auf die Betriebsratsanhörung für unproblematisch hält, so lange dem Betriebsrat die Umstände mitgeteilt werden, die gleichzeitig die Verdachts- und die Tatkündigung begründen. Dies sollte der Arbeitgeber beim Formulieren der Betriebsratsanhörung stets beachten.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/14
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