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    BGH begrenzt acting in concert

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst einer ausufernden Anwendung der Regeln zum acting in concert (AIC) im Aktien- und Kapitalmarktrecht Grenzen gesetzt. Nach seinem sehr praxisrelevanten Urteil (25. September 2018, II ZR 190/17) begründet es kein solches Zusammenwirken, wenn Aktionäre ihr Stimmverhalten nur zum gleichgerichteten Vorgehen bei einer einzigen Hauptversammlung (HV) abstimmen.

    Im BGH-Fall wollten Aktionäre alle Aufsichtsratsmitglieder austauschen; sie verfolgten damit das Ziel einer unternehmerischen Neuausrichtung der Aktiengesellschaft. In solchen Fällen wird rasch der Vorwurf erhoben, die Aktionäre wirkten im Wege eines AIC zusammen. Dieses zieht kapitalmarktrechtliche Meldepflichten nach sich. Es führt nämlich zur Anteilszurechnung. Ein nicht gemeldetes AIC begründet einen Rechtsverlust der beteiligten Aktionäre. Sie verlieren u.a. ihr Stimm- und Teilnahmerecht in der Hauptversammlung. In dieser herrschen dann andere Mehrheitsverhältnisse. Der Rechtsverlust soll auch die Anfechtungsbefugnis gegen HV-Beschlüsse entfallen lassen. Die betroffenen Aktionäre haben häufig keinen Dividendenanspruch. Erreichen Aktionäre durch AIC die Kontrolle über die Aktiengesellschaft (Besitz von 30 Prozent der Stimmrechte), können sie sogar ein Übernahmeangebot zugunsten aller anderen Aktionäre abgeben müssen.

    Das Wertpapierhandelsgesetz (§ 34 Abs. 2 S. 1, früher § 22 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 WpHG, entsprechend das Übernahmegesetz in § 30 Abs. 2) sieht eine wechselseitige Stimmrechtszurechnung wegen AIC vor, wenn Aktionäre ihr Verhalten in Bezug auf die börsennotierte AG „auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise“ abstimmen; ausgenommen sind „Vereinbarungen in Einzelfällen“. Der Gesellschaftsrechtssenat des BGH hatte offen gelassen, was ein solcher „Einzelfall“ ist. Die Frage war stark umstritten: Manche Autoren betrachteten den Begriff formal. Entscheidend sei die Häufigkeit des Abstimmungsverhaltens; es sei Einzelfall, wenn die Umsetzung des abgestimmten Verhaltens nur eine einmalige Handlung der Aktionäre erfordere. Demgegenüber schaut die materielle Betrachtung auf die unternehmenspolitischen Folgen der Verhaltensabstimmung; danach sei es kein Einzelfall mehr, wenn eine einzelne Maßnahme ein besonderes qualitatives Gewicht hat bzw. mit ihr eine weitreichende Zielvereinbarung verbunden ist.

    Der BGH hat nun zugunsten der formalen Betrachtung entschieden. Er begründet das überzeugend unter Rückgriff auf die klassischen Methoden der Gesetzesauslegung. Schutzzweck des Wertpapierhandelsgesetzes sei die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts; dazu gehöre die Transparenz der wesentlichen Eigentümerstruktur der Aktiengesellschaft. Dieser Zweck gebiete Stimmrechtszurechnung nur bei einer Abstimmung des Verhaltens, die eine gewisse Beständigkeit und Kontinuität aufweise. Zudem verlange die Rechtssicherheit eine formale Betrachtung. Demgegenüber sei bei materieller Betrachtung kaum zu bestimmen, ob ein Beschlussgegenstand eine derart zukunftsbezogene Bedeutung für die Unternehmenspolitik besitzt, dass er keinen bloßen Einzelfall betrifft.

    Zugrunde lag dem Urteil ein Fall, in dem der Aufsichtsrat den Alleinvorstand der Aktiengesellschaft abgesetzt hatte; diese rutschte danach in die Insolvenz. Der Kläger erwarb ein größeres Aktienpaket. Er versuchte, gemeinsam mit dem ehemaligen Alleinvorstand, der auch Aktionär war, die Gesellschaft unternehmerisch neu auszurichten. Dazu wollten sie zunächst alle Aufsichtsratsmitglieder auswechseln. Den entsprechenden Antrag lehnte die Hauptversammlung ab. Der Kläger focht daraufhin den Beschluss an, da er rechtswidrig nicht zur Hauptversammlung eingelassen worden sei. Die Aktiengesellschaft berief sich demgegenüber auf seinen angeblichen Rechtsverlust: Der Kläger habe kein Teilnahmerecht gehabt; denn er habe mit dem ehemaligen Alleinvorstand zusammengearbeitet; das habe die Schwelle zum AIC überschritten; daher seien ihm die Anteile des Alt-Vorstands mit der Folge weitergehender Meldepflichten zuzurechnen gewesen. Entsprechende Meldungen hatte der Kläger nicht abgegeben. Das Oberlandesgericht München bejahte als Vorinstanz das AIC.

    Am Rande seines Urteils behandelt der Bundesgerichtshof noch einen Aspekt, der zwar ähnlich wichtig ist wie die Definition von „Einzelfall“, für den der Sachverhalt aber nicht viel für grundlegende Aussagen des Bundesgerichtshofs hergibt. Trefflich streiten kann man nämlich über die Frage, wann Aktionäre im Sinne des Gesetzes mit dem „Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken“. Nach dem Bundesgerichtshof kann es kein AIC begründen, wenn die zusammenwirkenden Aktionäre die bestehende unternehmerische Ausrichtung bzw. Unternehmenspolitik beibehalten wollten. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. AIC verlangt ausdrücklich das Ziel der „Änderung“ der Ausrichtung des Emittenten. Ein solches Ziel verneint der Bundesgerichtshof bei der erstmaligen Bestimmung der Unternehmenspolitik. Das gelte auch bei Neuausrichtung der Aktiengesellschaft in der Insolvenz.

    Dr. Thomas Heidel

    Dr. Philipp Ridder

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/19

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