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    BGH: Erhöhung der Gegenleistung bei der Celesio-Übernahme

    In seinem aktuellen Urteil zur Celesio-Übernahme durch McKesson im Jahr 2014 hat der BGH festgestellt, dass ein für Wandelanleihen gezahlter Preis bei der Ermittlung der vom Bieter geschuldeten angemessenen Gegenleistung bei einem Übernahmeangebot zu berücksichtigen ist (Urteil vom 07.11.2017, Az.: II ZR 37/16), sofern der Erwerb sechs Monate vor dem Übernahmeangebot stattfand. An letzterem Erfordernis hatte es im Fall der Postbank-Übernahme noch gefehlt. Nach den BKN-(Urteil vom 11.6.2013, Az.: II ZR 80/12) und Postbank-Urteilen (Urteil vom 29.07.2014, Az.: II ZR 353/12) des BGH verdeutlicht auch der Fall Celesio die Mängel am in Deutschland geltenden Rechtsschutz für Minderheitsaktionäre.

    Das BGH-Urteil zur Celesio-Übernahme fand auch in der Tagespresse erheblich Beachtung. Die FAZ vom 13.11.2017 titelte „Übernahmen dürften künftig teurer werden“. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

    Das US Pharmaunternehmen McKesson Corporation einigte sich im Oktober 2013 mit der Familie Haniel auf den Kauf eines Aktienanteils von 50,01% an der Celesio AG. Der Aktienerwerb sollte nur vollzogen werden, wenn im Rahmen eines Übernahmeangebots die Annahmeschwelle von 75% erreicht würde. Daraufhin kaufte der US-Hedgefond Elliott sowohl Celesio-Aktien als auch Celesio-Wandelanleihen auf. Als McKesson Anfang Dezember 2013 sein Übernahmeangebot zu € 23 pro Celesio-Aktie unterbreitete, hielt Elliott bereits durchgerechnet über 25% an Celesio. Elliott befand sich somit in der komfortablen Situation, das Übernahmeangebot McKessons scheitern lassen zu können. Entsprechend gab McKesson am 14.01.2014 bekannt, die Annahmeschwelle von 75% nicht erreicht zu haben.

    McKesson unternahm einen zweiten Anlauf und trat in Verhandlungen mit Elliott ein. Man einigte sich, dass McKesson die von Elliott gehaltenen Wandelanleihen zu umgerechnet € 30,95 je Celesio-Aktie erwirbt, und schloss einen entsprechenden Kaufvertrag.

    Ende Februar 2014 unterbreitete McKesson ein zweites Übernahmeangebot – diesmal zu € 23,50 und ohne Bedingung für den Vollzug. Zum Ende der Annahmefrist kam McKesson auf den gewünschten Stimmrechtsanteil von 75%. Diese Schwelle ist nach dem Aktiengesetz nötig, um einen Beherrschungsvertrag mit der Zielgesellschaft abzuschließen. Dieser wurde tatsächlich alsbald abgeschlossen. Dabei erhielten die verbliebenen Minderheitsaktionäre der Celesio (zwischenzeitlich umbenannt in McKesson Europe) ein Abfindungsangebot von € 22,99 je Aktie.

    Parallel hierzu verklagten Minderheitsaktionäre, die das Übernahmeangebot zu € 23,50 angenommen hatten, auf den Differenzbetrag von € 7,45 zu den € 30,95, die McKesson für die Wandelanleihen gezahlt hatte.

    Die erste Instanz wies Klage der Minderheitsaktionäre auf Zahlung des Differenzbetrags ab (LG Frankfurt, Urteil vom 02.12.2014, Az.: 3/5 O 44/14). Die Berufung vor dem OLG Frankfurt (Urteil vom 19.01.2016, Az.: 5 U 2/15) und die Revision vor dem BGH waren dagegen für die Aktionäre erfolgreich. Schon im Postbank-Urteil hatte der BGH festgestellt, dass Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft Zahlungsansprüche gegen Bieter geltend machen könnten, sofern die für ihre Aktien angebotene Gegenleistung nicht angemessen ist. Die Angemessenheit der vom Bieter nach dem Übernahmegesetz (§ 31 WpÜG) für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft zu zahlenden Gegenleistung bestimmt sich grundsätzlich nach dem höchsten Preis, den der Bieter für Aktien der Zielgesellschaft bezahlt hat. Das Übernahmegesetz (WpÜG) stellt solchen Vorerwerben Vereinbarungen gleich, aufgrund derer Bieter die Übereignung von Aktien verlangt können. Fraglich war, ob eine Wandelanleihe eine solche „Vereinbarung“ ist. Der Gesetzgeber wollte mit der Gleichstellung ursprünglich Kauf- und Tauschverträge zum unmittelbaren Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft erfassen.

    Der BGH bejahte, insbesondere mit Verweis auf den Umgehungsschutz, dass auch Wandelanleihen erfasst seien; damit sei deren Erwerbspreis von € 30,95 pro Celesio-Aktie bei der Festlegung des Übernahmepreises zu berücksichtigen. Dem ist zuzustimmen. Primäre Ziele der EU Übernahmerichtlinie (Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004), die das WpÜG umsetzen soll, sind Aktionärsschutz sowie Gleichberechtigung der Aktionäre. Prämien an einzelne Aktionäre sind damit nicht vereinbar. Angesichts des gescheiterten ersten Übernahmeangebots war offensichtlich, dass McKesson die Wandelanleihen gekauft hat, um diese in stimmberechtigte Celesio-Aktien zu wandeln. Nur so konnte McKesson die 75%-Schwelle zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags erreichen.

    Das Urteil des BGH gilt nur zwischen den Parteien des dortigen Prozesses. Es hat keine sogenannte inter omnes-Wirkung. Daher müssen Minderheitsaktionäre, die das Übernahmeangebot zu € 23,50 angenommen haben, einzeln gegen McKesson klagen. Fraglich ist die Dauer der Verjährung. In einem die Postbank-Übernahme im Jahre 2014 betreffenden Verfahren (vgl. dazu Newsletter 8/ 2017) hatte das LG Köln jüngst entschieden, dass die Verjährung der entsprechenden Ansprüche gemäß § 31 WpÜG drei Jahre beträgt; die Verjährung beginne ab dem Zeitpunkt, zu dem die Minderheitsaktionäre Kenntnis der haftungsbegründenden Umstände haben konnten (Urteil vom 20.10.2017, Az.: 82 O 11/15).

    Entscheidend für die Erfolgsaussichten neuer Klagen im Celesio-Fall ist daher auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, wann man eine solche Kenntnis oder ein Kennenmüssen frühestens unterstellen kann. Auf den ersten Blick könnte man auf die Angebotsunterlage vom 28.02.2014 abstellen, so dass Ansprüche heute verjährt wären. Darin waren die Kaufverträge über die Wandelanleihen zwar bereits erwähnt. Aber selbst die BaFin hat im Verfahren zur Gestattung der Angebotsunterlage die (Un-)Angemessenheit der Gegenleistung nicht angemahnt und nicht auf den für die Wandelanleihen gezahlten Preis abgestellt. Den Prüfungsmaßstab eines Minderheitsaktionärs wird man nicht höher ansetzen können als den der BaFin. Hinzukommt, dass die Angebotsunterlage den (umgerechneten) Preis von € 30,95 je Celesio-Aktie nicht explizit erwähnte. Ohne eigene Berechnungen war der Preis je Celesio-Aktie gar nicht ersichtlich. Angesichts des klageabweisenden Urteils des Landgerichts wird man eine Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände vermutlich frühestens ab dem Berufungsurteil vom 19.01.2016 annehmen können. Daher müssten Ansprüche gegen McKesson noch bis Ende 2019 gerichtlich geltend gemacht werden können, ohne der Verjährungseinrede ausgesetzt zu sein.

    Nach derzeitiger Rechtslage haben Minderheitsaktionäre, die das € 23,50-Angebot nicht angenommen haben, keinen Anspruch auf den Differenzbetrag von € 7,45. Hier zeigt sich die mangelhafte Ausgestaltung des Rechtsschutzes nach dem WpÜG. So werden Minderheitsaktionäre genötigt, ihre gesicherte Rechtsposition in Form ihrer Beteiligung an der Zielgesellschaft aufzugeben, um den Kontrollerwerber auf Zahlung der angemessenen Gegenleistung verklagen zu können. Eine solche Ausgestaltung des Rechtsschutzes dürfte indes gegen die von der Übernahmerichtlinie vorgegebenen Verfahrensgarantien verstoßen.

    Es bleibt abzuwarten, ob das mit dem Spruchverfahren nach dem Beherrschungsvertrag befasste LG Stuttgart die nach dem WpÜG angemessene Gegenleistung von € 30,95 der Barabfindung zu Grunde legen wird. In dem ähnlich gelagerten Fall der Postbank zeichnet sich eine solche Berücksichtigung durch das LG Köln (Az.: 82 O 77/12 und 82 O 2/16) ab.

    Dr. J. Frédéric Meilicke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/18

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