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    BGH zu den Folgen der Nichtigkeit einer Aufsichtsratswahl

    Die Anfechtung des Wahlbeschlusses der Hauptversammlung zum Aufsichtsrat ist für die betroffene Aktiengesellschaft ein ausgesprochen unangenehmer Vorgang. Hat die Klage Erfolg, so führt dies dazu, dass der betreffende Hauptversammlungsbeschluss rückwirkend für nichtig erklärt wird. Damit steht zugleich fest, dass die Personen, um deren Wahl es geht, nie Aufsichtsratsmitglied waren. Diese haben aber während der oft jahrelangen Dauer des Anfechtungsverfahrens ihr "Amt" ausgeübt und insbesondere an den Beschlussfassungen des Aufsichtsrates mitgewirkt. Infolgedessen stellt sich die Frage nach dem rechtlichen Schicksal der Aufsichtsratsbeschlüsse, die unter Mitwirkung des unwirksam gewählten Aufsichtsratsmitgliedes gefasst wurden.



    Im Ausgangspunkt gilt, dass diese Beschlüsse nichtig sind, wenn die Stimme des betreffenden Aufsichtsratsmitglied für ihr Zustandekommen ursächlich war. Dies kann zur Folge haben, dass auch die zur Umsetzung des betreffenden Aufsichtsratsbeschlusses erfolgten Rechtsakte, wie etwa die Bestellung des Vorstandes, die Beschlussvorschläge des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit der Einberufung einer Hauptversammlung, die Mitwirkung des Aufsichtsrates an der Feststellung des Jahresabschlusses etc., unwirksam sind. Es liegt auf der Hand, dass dies für die betroffene Gesellschaft zu massiven Problemen führen kann. In der Literatur wird deshalb vorgeschlagen, das nichtig gewählte Aufsichtsratsmitglied bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Nichtigerklärung seiner Wahl in jeder Hinsicht wie ein wirksam gewähltes Aufsichtsratsmitglied zu behandeln.



    Der Bundesgerichtshof hat eine solche Gleichstellung des nichtig gewählten "Aufsichtsratsmitgliedes" mit einem wirksam gewählten Aufsichtsratsmitglied vor einigen Jahren hinsichtlich der Pflichten, der Haftung und der Vergütung gebilligt. Hinsichtlich der Mitwirkung des Betroffenen an der Beschlussfassung im Aufsichtsrates lehnt er diese jedoch in einem aktuellen Urteil ab (BGH vom 19.02.2013, Az.: II ZR 56/12). Es bleibt also dabei, dass ein auf der Mitwirkung des Betroffenen beruhender Aufsichtsratsbeschluss nichtig ist. Soweit das Bestandsinteresse der Gesellschaft oder das Vertrauen Dritter dies gebieten, sind die Nichtigkeitsfolgen allerdings im Einzelfall einzuschränken. Als Beispiele hierfür nennt der BGH den Beschlussvorschlag des Aufsichtsrates bei Einberufung einer Hauptversammlung sowie die Leitung der Hauptversammlung durch ein nichtig bestelltes Aufsichtsratsmitglied. Wenn ein Aufsichtsratsbeschluss gegenüber außenstehenden Dritten vollzogen werde, genössen diese Vertrauensschutz, soweit sie die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses nicht kennen oder kennen müssen.



    Das Urteil mildert die Probleme, die den betroffenen Aktiengesellschaften im Falle der gerichtlichen Nichtigerklärung einer Aufsichtsratswahl entstehen, für einige Konstellationen ab, löst sie aber bei Weitem nicht vollständig. Auch die Möglichkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat zur "präventiven Schadensbegrenzung" während des schwebenden Anfechtungsprozesses sind beschränkt: Verfahrensfehler des Wahlbeschlusses können durch einen Bestätigungsbeschluss gemäß § 244 AktG geheilt werden, der allerdings unter Umständen seinerseits angefochten werden kann. Sind die Aufsichtsratsmitglieder, deren Wahl angefochten ist, zu einer Amtsniederlegung bereit, kommt eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG in Betracht. Hier kann das Gericht die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder bestellen, es kann aber auch andere Kandidaten auswählen. In der Literatur wird vorgeschlagen, dass das Gericht die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder auch ohne Amtsniederlegung schon während des schwebenden Anfechtungsverfahrens aufschiebend bedingt für den Fall eines rechtskräftigen Erfolges der Anfechtungsklage gerichtlich bestellen könne. Diesen Weg haben einzelne Gerichte in der Vergangenheit akzeptiert, allgemein anerkannt ist er in der gerichtlichen Praxis aber nicht.



    Dr. Matthias Schatz

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/13

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