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    BGH zur Bindung des Gesellschafters an seine Stimmabgabe

    In der Praxis kommt es vor, dass Gesellschafter ihre einmal abgegebene Stimme vor Abschluss des Abstimmungsverfahrens ändern wollen. Im konkreten Fall ging es um ein schriftliches Umlaufverfahren zwischen dem 04.11. und 12.12.2019. Der betreffende Gesellschafter hatte zunächst mit „Ja“ gestimmt, aber später seine Meinung geändert und daraufhin am 20.11.2019 mit „Nein“ gestimmt. Der Versammlungsleiter vertrat die Auffassung, eine einmal abgegebene Stimme könne nicht widerrufen werden.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) ist durch Urteil vom 22.10.2024 (Az: II ZR 64/23, ZIP 2025, 85 ff.) der Meinung des Versammlungsleiters gefolgt.

    Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wurde zum Teil die Auffassung vertreten, bis zum Abschluss des Abstimmungsverfahrens könne ein Gesellschafter grundsätzlich seine Meinung ändern und seine einmal abgegebene Stimme widerrufen (Ebenroth/Boujong/Freitag, HGB § 109 Rn. 34; Henssler/Strohn/Oswald, GesR, HGB § 109 Rn. 57; Hopt/Roth, HGB § 119 Rn. 26).

    Der BGH ist dieser Sichtweise nun entgegengetreten und folgt damit der überwiegenden Meinung im Schrifttum (MünchKommHGB/Enzinger, HGB § 119 Rn. 15; Oetker/Lieder, HGB § 109 Rn. 23; Staudinger/Habermeier, BGB, § 709 Rn. 19; Westermann/Wertenbruch/Westermann, HdB Personengesellschaften, § 24 Rn. 485 ff.; MünchHdbGesR II/Harf/Pflüger, § 86 Rn. 3 u.a.). Ein Gesellschafter könne seine Stimmabgabe nach deren Wirksamwerden durch Zugang bis zum Abschluss des Abstimmungsverfahrens grundsätzlich nicht mehr frei widerrufen. Die Stimmabgabe eines Gesellschafters sei als empfangsbedürftige Willenserklärung einzuordnen und werde mithin gem. § 130 Abs. 1 BGB im Zeitpunkt ihres Zugangs wirksam (Rn. 15).

    Die Entscheidung des BGH betraf eine Personengesellschaft (KG). Für andere Gesellschaftsformen gilt indes nichts anderes (Noack/Servatius/Haas/Noack, GmbHG § 47 Rn. 7; MüKoAktG/Arnold, AktG § 133 Rn. 25).

    Zurecht betont der BGH, dass die Bindungswirkung aber nicht besteht, wenn der Gesellschaftsvertrag diese ausdrücklich einschränkt – bspw. in Gestalt der Widerrufsmöglichkeit bereits abgegebener Stimmen bis zum Abschluss des Abstimmungsverfahrens (Rn. 27). Solche Regelungen finden sich indes in der Praxis außerordentlich selten. Die am häufigsten praktizierte Möglichkeit, die ein Gesellschafter hat, sein Abstimmungsverhalten von der Stimmabgabe anderer Gesellschafter abhängig zu machen, ist, so lange wie möglich mit der Abgabe seiner eigenen Stimme zu warten.

    Dr. York Strothmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/25

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