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    Bundesfinanzhof: Zusammengelegte Kirchengemeinden müssen Grunderwerbsteuer zahlen

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 10.05.2023, Az. II R 24/21, festgestellt, dass durch die Zusammenlegung mehrerer Kirchengemeinden zu einer neuen Kirchengemeinde die Grunderwerbsteuerpflicht ausgelöst wird, wenn durch die Zusammenlegung die Anteile der ursprünglichen Gemeinden an grundbesitzenden GmbHs miteinander vereinigt werden (sog. Anteilsvereinigung).

    Diese Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG (als Folge der staatlich anerkannten Errichtung oder Änderung von Kirchengemeinden) verstoße weder gegen das verfassungsrechtlich geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) noch gegen die verfassungsrechtlich geschützte Kirchengutsgarantie, Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV.

    Geklagt hatte eine Kirchengemeinde, deren Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen wurde.

    Die Gemeinde wurde durch ein bischöfliches Dekret aus der Vereinigung mehrerer Vorgängergemeinden gebildet. Sie übernahm das gesamte Vermögen der vereinigten Gemeinden, einschließlich der Beteiligungen an zwei Kapitalgesellschaften mit Grundbesitz, die katholische caritative Einrichtungen betrieben. Das Finanzamt stellte fest, dass durch die Übertragung der Anteile an die Klägerin eine Vereinigung von mindestens 95%* der Anteile an den grundbesitzenden Gesellschaften nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfolgt sei, die der Grunderwerbsteuer unterliege. Es erließ einen gesonderten Feststellungsbescheid für die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, der auf einem Betriebsprüfungsbericht basierte.

    Die Klägerin wehrte sich gegen den Feststellungsbescheid und machte geltend, dass die Übertragung der Anteile keine grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung sei, sondern eine steuerbefreite Schenkung nach § 3 Nr. 2 GrEStG oder eine steuerfreie Umstrukturierung nach § 4 Nr. 1 GrEStG. Außerdem berief sie sich auf das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Kirchengutsgarantie.

    Der BFH bestätigte jedoch die Auffassung des Finanzamts: Durch die Neuerrichtung der Gemeinde erlange diese für den staatlichen Bereich den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 6 KathKiGemVbgBek NW), welche grunderwerbsteuerpflichtig sei. Es liege auch kein Befreiungstatbestand vor. Es spiele keine Rolle, dass die Neugestaltung der Kirchengemeinden zuerst nur nach kirchlichem Recht – also innerhalb der Kirche – stattgefunden habe.

    Hieran ändere auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht oder die Kirchengutsgarantie bezüglich des wohltätig eingesetzten Vermögens nichts, da den Kirchen damit nur die Freiheit garantiert werde, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbständig zu ordnen und zu verwalten. Die Grunderwerbsteuer sei als Teil des materiellen Steuerrechts ein für alle geltendes Gesetz und müsse daher auch von der Kirche als juristische Personen des öffentlichen Rechts beachtet und gezahlt werden.

    Es liege aufgrund der gesetzlichen Anordnung im Kirchenrecht auch keine freigebige Zuwendung der Gesellschaftsanteile von den aufgelösten Kirchengemeinden an die neu gegründete Kirchengemeinde vor; es fehle an einer Doppelbelastung eines Lebenssachverhalts mit Erbschaft- und Schenkungsteuer einerseits sowie Grunderwerbsteuer andererseits. Der von der Klägerin vorgebrachte § 4 Nr. 1 GrEStG gelte nur für den Erwerb von Grundstücken, nicht für die Vereinigung oder Übergänge von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig und lasse mangels Regelungslücke keine erweiternde Auslegung zu.

    Somit wurden alle Argumente der Klägerin verworfen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

    Für die Praxis bedeutet die Entscheidung, dass Kirchengemeinden bei ihrer (kirchenrechtlichen) Zusammenlegung mit Grunderwerbsteuern rechnen müssen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG wird in dem Moment verwirklicht, an dem die neu errichtete Kirchengemeinde Teil des staatlichen Bereichs wird. Es liegen dann keine „rein innerkirchlichen Angelegenheiten“ mehr vor.

    * Das Urteil bezieht sich noch auf den Veranlagungszeitraum 2007. Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 07.05.2021 erfolgte ab dem 01.07.2021 eine Absenkung der Grenze von 95% auf 90%.

    Christian Slota / Wiss. Mit. Elif Köksal

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/23

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