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BVerfG zum Vertrauensschutz in den Fortbestand steuerrechtlicher Regelungen
Das BVerfG hat auf Vorlage des FG Münster darüber entschieden, ob die Neuregelung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Streubesitzdividenden durch das UntStFG (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz) vom 20.12.2001 mit erstmaliger Anwendung für den Erhebungszeitraum 2001 eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung darstellt.
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 10.10.2012, Az.: 1 BvL 6/07, entschieden, dass Gesetze mit unechter Rückwirkung unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich zulässig sind. Rückwirkende Änderungen des Steuerrechts für einen noch laufenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum seien als Fälle unechter Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig, stünden den Fällen echter Rückwirkung allerdings nahe und würden daher besonderen Anforderungen unter den Gesichtspunkten von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit unterliegen.
Dies bedeutete im konkreten Fall, dass das rückwirkende Inkraftsetzen der gewerbesteuerlichen Neuregelung verfassungsgemäß war, soweit es den Zeitraum nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11.12.2001 betraf. Denn der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11.12.2001 zur Einführung des § 8 Nr. 5 in das GewStG, erst recht aber der Beschluss des Deutschen Bundestages hierzu vom 14.12.2001 hätten das Vertrauen in den zukünftigen Bestand der bisherigen Rechtslage zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Erträgen i. S. des § 8b Abs. 1 KStG aus Streubesitzbeteiligungen zerstört. Soweit demgegenüber bis einschließlich 11.12.2001 beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen erfasst werden, sei dies unvereinbar mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und mithin verfassungswidrig.
Diese Entscheidung des BVerfG steht in Einklang mit der jüngeren Judikatur des Gerichts zum (eingeschränkten) Vertrauensschutz bei der Rückwirkung von Steuergesetzen. Änderungen des Steuerrechts für einen noch laufenden Veranlagungszeitraum sind Fälle sog. unechter Rückwirkung. Auch für die Fälle unechter Rückwirkung gelten besondere Anforderungen an Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit. Für die Praxis ist zu beachten, dass nicht nur durch die Einbringung eines Gesetzesentwurfes oder seiner Verabschiedung im Bundestag, sondern bereits durch einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der Rechtslage zerstört wird.
Dr. Dieter Rabback
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/12
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