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    Commerzbank: Beabsichtigte Abberufung von Vorständen auf wackeliger Rechtsgrundlage

    Die Commerzbank will ihren Vorstand verkleinern. Zwei Vorstände sollen gehen. Sie wehren sich, offenbar weil ihnen die angebotene Abfindung zu niedrig ist. Vorstandschef Martin Blessing und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller betreiben nun ihre Abberufung aus wichtigem Grund. Damit sind sie im Aufsichtsrat zunächst gescheitert, eine Mehrheit kam nicht zusammen. Sollte das doch noch gelingen, steht die Abberufung auf wackeligen Beinen. Denn nach etabliertem Verständnis darf der Aufsichtsrat sich nicht selbst einen wichtigen Grund für die Abberufung schaffen.
    Hintergrund: Anfang August 2013 erregte eine Pressemitteilung der Commerzbank Aufsehen: Der Aufsichtsrat beschloss, den Vorstand von neun auf sieben Mitglieder zu verkleinern, konkrete Entscheidungen habe er noch nicht getroffen, um eine einvernehmliche Lösung mit den "betroffenen Vorstandsmitgliedern" (Ulrich Sieber und Jürgen Klösges) zu suchen. Die einvernehmliche Trennung scheiterte an unterschiedlichen Vorstellungen über die Höhe der Abfindung. Daher kam man auf die Idee, die Vorstände unter Berufung auf einen (angeblich) wichtigen Grund aus ihren Positionen zu entfernen. In der Aufsichtsratssitzung vor zwei Wochen scheiterte die Abberufung. Die nach dem Mitbestimmungsgesetz erforderliche Zweidrittel Mehrheit kam nicht zustande. Nun soll das Thema im November erneut auf der Tagesordnung des Aufsichtsrats stehen.
    Rechtliche Bewertung: Eine geplante Abberufung der Vorstände widerspricht den etablierten Grundsätzen des Aktienrechts. Der Aufsichtsrat bestellt Vorstände für eine feste Zeit von höchstens fünf Jahren (§ 84 Aktiengesetz). Er darf die Bestellung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Diesen definiert das Aktiengesetz nicht. Es sagt lediglich, was "namentlich" ein solcher Grund ist: grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung und Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Eine Verkleinerung des Vorstands zur Kostenreduktion nennt das Gesetz nicht. Das steht der Einordnung als Abberufungsgrund nicht entgegen. Denn das Gesetz nennt nur Beispiele ("namentlich"). Doch die Gesetzesauslegung belegt m.E. ohne Weiteres, dass das Commerzbank-Konzept nicht aufgehen kann. Denn der Aufsichtsrat will sich den wichtigen Grund zur Abberufung selbst schaffen, indem er die Vorstandsverkleinerung beschließt. Das konterkariert den Grundsatz, durch die feste Amtsdauer und die beschränkte Abberufungsmöglichkeit die Unabhängigkeit und die eigenverantwortliche Unternehmensleitung des Vorstands zu schützen. Dazu passt es nicht, wenn der Aufsichtsrat sich selbst Abberufungsgründe schaffen könnte - und seien es so beachtliche Gründe wie die Kostenreduktion.
    Interessant ist der Rechtsschutz eines abberufenen Vorstandsmitglieds. Nach dem Aktiengesetz ist der Widerruf "wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist". Es entspricht ganz überwiegender Auffassung, dass Vorstände mit vorläufigem Rechtsschutz (einstweilige Verfügung) nur Fehler bei den Formalien der Abberufung angreifen können - nicht aber das Fehlen eines wichtigen Grundes, das soll nur durch die ordentliche Klage möglich sein. Das ist m.E. zweifelhaft. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Ein Aufsichtsrat beschließt, das einzige weibliche Vorstandsmitglied abzuberufen; alleinige Begründung: Man wolle einen rein männlichen Vorstand, um gesetzgeberischen Vorhaben zur Einführung einer Frauenquote ein markiges Zeichen entgegenzusetzen. Dann fehlt evident der wichtige Grund. Kann es da richtig sein, dass die gefeuerte Vorständin bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über ihre Klage kaltgestellt bleibt - um dann, nach typischer Verfahrensdauer von vier Jahren, festzustellen, dass nun ihre Amtszeit abgelaufen ist? Der völlig fehlende vorläufige Rechtsschutz beim wichtigen Grund führt de facto dazu, dass die vom Gesetzgeber aus wohlerwogenden Gründen im Interesse der Gesellschaft an der unabhängigen Unternehmensführung durch den Vorstand nominierte Beschränkung der Abberufungsmöglichkeit auf wichtige Gründe das Papier nicht wert ist, auf das die Beschränkung gedruckt ist.
    Schließlich noch eine Pointe des Commerzbank-Falls: Mit der Beendigung des Vorstandsamts ist der Anstellungsvertrag noch nicht beendet. Dessen fristlose Kündigung bedarf regelmäßig weit schwerwiegenderer Gründe als die Beendigung der Organstellung durch die Abberufung. Daher muss die Commerzbank damit rechnen, dass sie auf jeden Fall die Vorstandsvergütung bis zum Vertragsende durchzahlen muss. Das führt das Argument ad absurdum, die Abberufung führe zu einer Kostenreduktion.
    Dr. Thomas Heidel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 10/13

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