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    Covid 19: Weitere Erleichterungen für Beschlussfassung in Vereinen

    Erleichterungen und Klarheit schufen Bundestag und Bundesrat in ihrer letzten Sitzungswoche 2020 für Beschlussfassungen in Vereinen: Mitgliederversammlungen können bis Ende 2021 rein virtuell abgehalten, bei Unzumutbarkeit virtueller Treffen sogar völlig aufgeschoben werden; auch Vorstandsbeschlüsse sind nun eindeutig auch im Wege elektronischer Kommunikation außerhalb von Versammlungen zulässig.

    Mit seinem Gesetzespaket aus dem März 2020 zur Abmilderung der Folgen der COVID 19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz und Strafverfahrensrecht schuf der Gesetzgeber auch Corona-bedingte Sonderregeln für Vereine (§ 5 des sog. COVID-19-Maßnahmengesetzes - COVMG, Bundesgesetzblatt I 2020, S. 556; vgl. Newsletter 4/20). Das Justizministerium hat das zunächst bis Ende 2020 laufende Gesetz schon im Oktober verlängert bis Ende 2021 (Bundesgesetzblatt 2020 I, 2258). Das Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass Vorstandsmitglieder auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Regelung ihrer Nachfolge weiter im Amt bleiben; Abberufung und Neuwahl bleiben natürlich möglich. Das Gesetz erleichtert auch die Beschlussfassung durch Mitgliederversammlungen:

    Nach allgemeinem Vereinsrecht sind Mitgliederversammlungen nur als Präsenzversammlungen möglich; nur dort können die Mitglieder ihre Rechte ausüben; wer nicht persönlich kommt, kann grundsätzlich nicht abstimmen. Demgegenüber sindnach dem COVMG auch ohne Satzungsgrundlage auch virtuelle Mitgliederversammlungen möglich, zu den sich Vorstand und Mitglieder zusammenschalten. Mitglieder können ihre Stimmen auch schriftlich vor Beginn der Mitgliederversammlung abgeben. Solche Erleichterungen der Beschlussfassung erforderten zuvor Satzungsregeln. Seit dem COVMG waren diese nicht mehr erforderlich – auch nicht für die Beschlussfassung der Vereinsmitglieder außerhalb einer Mitgliederversammlung: Zuvor erforderte das mangels abweichender Satzungsregeln, dass alle Mitglieder erstens ihre Stimme schriftlich durch einen eigenhändig unterschriebenen Brief abgeben und zweitens dem Beschlussvorschlag zustimmen. Nun genügt es unabhängig von speziellen Satzungsregeln, dass die Mitglieder ihre Stimme in sogenannter Textform abgeben (z.B. auch per E-Mail oder Telefax); insbesondere sind für die Beschlussfassung nicht mehr die Stimmen aller Vereinsmitglieder erforderlich; wenn alle Mitglieder die Möglichkeit der Teilnahme an der Abstimmung hatten und die Hälfte von ihnen die Stimme auch tatsächlich abgibt, genügt für den Beschluss dieselbe Mehrheit, die auch in einer Präsenzversammlung erforderlich wäre.

    Das Gesetz aus dem März ließ manche Fragen offen, wie es üblich ist bei einer Regelung, die quasi über Nacht rasch zusammengeschrieben werden muss. Die Dezember-Novelle bringt einiges an Klarheit. Verkündung und Veröffentlichung der Neuregelung werden noch für den Dezember erwartet. Sie tritt zwei Monate später in Kraft – mutmaßlich also ab März 2021.

    Was ist neu? Das Gesetz soll klar die Möglichkeit des Vorstands normieren, vorzusehen, dass alle Mitglieder des Vereins nur im Wege der elektronischen Kommunikation an der Mitgliederversammlung teilnehmen; kein Mitglied solle verlangen können, dass ihm die Teilnahme an einem Versammlungsort ermöglicht wird, an dem der Vorstand die Mitgliederversammlung leitet; so heißt es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucksache 19/25251 und 25322). Der Gesetzeswortlaut ist nämlich nach wie vor ambivalent. Dort ist von „Anwesenheit am Versammlungsort“ die Rede. Das könnte darauf schließen lassen, dass tatsächlich an irgendeinem Ort eine physische Versammlung stattfinden muss. Dem begegnet Prof. Dr. Lars Leuschner in einem führenden Kommentar mit der etwas apodiktischen, aber zutreffenden Bemerkung, „Die Frage, ob … ein physischer Versammlungsort existiert, hat keinen erkennbaren Sinn.“ Jedenfalls besteht kein Recht auf Teilnahme an irgendeinem physischen Versammlungsort. Dieser kann im Sinne des Gesetzes z.B. jeder Ort sein, an dem der Vereinsvorsitzende die Mitgliederversammlung an seinem Notebook eröffnet. Dass gerade keine physische Versammlung an einem Ort nötig ist, macht die Begründung des Rechtsausschusses zur Novelle überdeutlich: Der Ausschuss bezeichnet die virtuelle Versammlung als eine „im Wege der elektronischen Kommunikation“. Insofern unterscheidet sich die Lage im Verein von der Aktiengesellschaft. Dort geht das Gesetz auch unter den COVID-Vorschriften davon aus, dass die virtuelle Hauptversammlung tatsächlich an einem Ort abzuhalten ist, jedenfalls mit einem Versammlungsleiter und wohl auch einem Vorstandsmitglied sowie ggf. Notar, dass aber die Aktionäre kein Teilnahmerecht haben.

    Wirklich neu ist die Klärung der in der Literatur streitigen Frage, ob satzungsmäßige Einberufungspflichten betreffend Mitgliederversammlungen während der COVID 19-Pandemie ausgesetzt sein können. Die Satzung kann nämlich insb. vorsehen, dass die Versammlungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden müssen; typischerweise hat der Vorstand dann nach § 36 BGB die Einberufungspflicht. Die Unzulässigkeit oder Unzumutbarkeit von solchen Präsenzversammlungen während der Pandemie suspendierte grundsätzlich nicht diese Pflicht. Denn der Gesetzgeber hatte ja durch die Möglichkeit der virtuellen Mitgliederversammlung grundsätzlich hinreichend Vorsorge getroffen. Dennoch gab es unter Berufung auf das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage in der Literatur beachtliche Stimmen, die in Sonderkonstellationen für eine Aussetzung der Einberufungspflicht votierten. Hier hilft der Gesetzgeber: Der Vorstand ist nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, „solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliederversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.“ Die Begründung des Rechtsausschusses für seinen Gesetzesvorschlag verdeutlich, auf welche Konstellationen dies abzielt: Viele kleinere Vereine verfügten nicht über ausreichende Mittel, um eine Mitgliederversammlung als virtuelle Versammlung durchzuführen; zudem gebe es Vereine, die überwiegend ältere Mitglieder hätten, die nicht bereit oder in der Lage seien, an einer virtuellen Versammlung teilzunehmen. Hierfür solle die Novelle Rechtssicherheit schaffen. Die Entscheidung des Gesetzgebers gibt darüber hinaus einen Fingerzeig dafür, wie solche Pflichtenkollision des Vorstands zu behandeln sind, wenn er vor Inkrafttreten der Novelle nicht zu einer Mitgliederversammlung einberufen hatte, obwohl das nach der Satzung an sich geboten war: Ist es ihm nach der Novelle erlaubt, die Einberufung aufzuschieben, handelte er auch vor deren Inkrafttreten nicht pflichtwidrig, wenn er entgegen einem Satzungsbefehl die Mitgliederversammlung weder als virtuelle noch als Präsenzversammlung abgehalten hat, soweit die Voraussetzungen der Novelle vorlagen.

    Praxisgerechte Klarheit bringt die Novelle auch für Beschlüsse des Vorstands. Das Vereinsrecht des BGB verweist für dessen Beschlüsse zwar auf die Regeln zur Mitgliederversammlung. Streitig war aber, ob die Corona-bedingten Erleichterungen für Beschlüsse der Mitglieder auch für Vorstände gelten. Dagegen spricht insbesondere die geringe Zahl der Mitglieder von Vorständen und dass es regelmäßig treuwidrig sein wird, wenn ein Vorstandsmitglied auf einer Präsenzsitzung beharrt. Der Gesetzgeber schafft insoweit Klarheit: Auch bei Vorständen und ähnlichen Gremien von Vereinen (sowie von Stiftungen) könne das Bedürfnis bestehen, Sitzungen im Wege elektronischer Kommunikation durchzuführen und Beschlüsse außerhalb der Versammlung zu fassen. Daher gelten gemäß § 5 Abs. 3a COVMG die Corona-bedingten Regelungen für die Mitgliederversammlung „auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane“.

    Insgesamt ein Novelle, die an zwar nicht sensationellen, aber für die Praxis wichtigen Punkten Rechtsklarheit und Erleichterungen der Arbeit der Vereine bringt.

    Dr. Thomas Heidel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/20

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