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    Die Gläubigerfalle - Vorsatzanfechtung bleibt gefährlich

    Geschäfte von Lieferanten und Dienstleistern mit Unternehmen, die sich in einer finanziellen Krise befinden, sind gefährlich. Selbst wenn durch ein solches Krisenunternehmen Rechnungen beglichen wurden, droht dem Zahlungsempfänger immer noch die Gefahr, die empfangene Vergütung an die Insolvenzmasse zurückgewähren zu müssen, wenn über das Vermögen des Schuldners nach der Zahlung das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Wusste nämlich der Gläubiger, dass der Schuldner durch die Zahlung andere Gläubiger bewusst benachteiligt, kann der Insolvenzverwalter des Schuldners die Zahlung anfechten. Besonders unangenehm: Diese Gefahr droht für einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren ab Erhalt der Zahlung. Der BGH hat in einer neueren Entscheidung noch einmal die Voraussetzungen einer solchen Anfechtung deutlich gemacht.

    Die Anfechtung einer Zahlung oder Gewährung einer sonstigen Vergünstigung setzt gemäß § 133 Insolvenzordnung (InsO) voraus, dass sie mit dem Vorsatz der Benachteiligung anderer Gläubiger vorgenommen wurde und dass der begünstigte Gläubiger diesen Vorsatz kannte. Wie aber soll in der Praxis dem begünstigten Gläubiger die Kenntnis von einem solchen Benachteiligungsvorsatz nachgewiesen werden? In seiner Entscheidung vom 18.01.2018, Az.: IX ZR 144/16, hat der BGH noch einmal seine in den vergangenen Jahren immer weiter verfeinerte Rechtsprechung zu dieser Problematik präzisiert. In dem entschiedenen Fall hatte ein Schuldner, der in 3 Großstädten Restaurants betrieb und in einer vierten Großstadt ein neues Restaurant eröffnen wollte, einen Maklerlohn in Höhe von mehr als € 100.000,00 bei Fälligkeit nicht gezahlt. Erst mit neun Monaten Verspätung erfolgte eine Zahlung von rd. € 40.000,00. Als der Gläubiger, das Maklerbüro, einen Mahnbescheid und einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hatte, kündigte der Schuldner weitere Teilleistungen an, die in einem Zeitraum zwischen 12 und 18 Monaten seit Fälligkeit der Rechnung bewirkt wurden. Anschließend wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat die Zahlungen an das Maklerbüro wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung angefochten. Das Landgericht sowie das Kammergericht in Berlin hatten die auf die Anfechtung gestützte Klage des Insolvenzverwalters gegen das Maklerbüro abgewiesen. Es habe in dem Verfahren dem beklagten Maklerbüro die Kenntnis vom Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung bei Erhalt der Zahlungen nicht nachgewiesen werden können.

    Der BGH war mit dieser Begründung nicht einverstanden und hat das Verfahren zur weiteren Tatsachenermittlung an das Kammergericht (Berufungsinstanz) zurückverwiesen.

    Der BGH ist zunächst aufgrund der im Verfahren getroffenen Tatsachenfeststellungen davon ausgegangen, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der an den Makler geleisteten Zahlungen bereits zahlungsunfähig war. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner mehr als 10% der aktuell fälligen Verbindlichkeiten innerhalb einer für die Einholung eines weiteren Kredits angenommenen Frist von in der Regel drei Wochen (BGH Urt. v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04) nicht begleichen kann. Davon waren auch die Vorinstanzen ausgegangen. Der BGH argumentiert weiter, dass ein zahlungsunfähiger Schuldner immer mit dem Vorsatz der Benachteiligung anderer Gläubiger handelt, wenn er einzelnen Gläubigern aus verbliebener Liquidität noch Zahlungen zukommen lässt. Eine begründete Anfechtung setzt jedoch voraus, dass auch dem die Zahlung zukommenden Gläubiger nachgewiesen werden kann, dass er vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste. Dieser Nachweis ist schwierig, da es sich bei den einen Vorsatz begründenden Tatsachen um „innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, die meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden können“, wie der BGH formuliert. In der Praxis wird der die Zahlung leistende Schuldner in den seltensten Fällen in einer später nachweisbaren Form erklären, dass er bewusst zum Nachteil der übrigen Gläubiger handelt. Der BGH behilft sich an dieser Stelle aber mit der Argumentation, dass es ausreicht, wenn der begünstigte Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt. Denn dann wisse er - wie der Schuldner - auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern können. Mithin sei ein solcher Gläubiger zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Bilde.

    Wie aber kommt der BGH zu der Erkenntnis, dass der begünstigte Gläubiger - im entschiedenen Fall das Maklerbüro - von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste?

    Der BGH nimmt im Anschluss an frühere Entscheidungen an, dass eine solche Kenntnis im Einzelfall aus verschiedenen Beweisanzeichen ableitbar sei, von denen er in seiner Entscheidung einige benannt hat.

    So sei das monatelange völlige Schweigen des Schuldners auf die hohe seitens des Maklers erteilte Rechnung für sich genommen schon ein Indiz für eine Zahlungseinstellung.

    Auch der Umstand, dass sich der Schuldner gegen den gegen ihn erlassenen Mahnbescheid nicht verteidigte und es zum Erlass eines Vollstreckungsbescheides kommen ließ, bevor er Teilzahlungen anbot und diese erst mehr als ein Jahr nach Fälligkeit der Rechnung aufnahm, sei ein weiteres Indiz. Der Gläubiger hatte eingewendet, es sei ihm versichert worden, die Zahlungsverzögerungen lägen lediglich an vorübergehenden Liquiditätsproblemen aufgrund von Umbauten in dem neu erworbenen Objekt. Der BGH hätte eine solche Entschuldigung - so lässt es die Begründung erkennen - unter bestimmten Umständen auch gelten lassen, hielt sie im konkreten Fall aber nicht für begründet. Denn aus verschiedenen anderen Anzeichen war nach seiner Meinung erkennbar, dass der vom Schuldner genannte Grund nicht stichhaltig war und dass der Gläubiger dies hätte erkennen müssen.

    Als weiteres Indiz hat es der BGH angesehen, dass der Schuldner überhaupt so lange Zeiträume in Anspruch nahm, um die Verbindlichkeit zu tilgen. Ein Gläubiger erkenne nämlich die Zahlungseinstellung schon dann, wenn er seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hatte, diese verhältnismäßig hoch waren und er wusste, dass der Schuldner nicht in der Lage war, die Forderungen zu erfüllen. Diese Umstände hat der BGH im entschiedenen Fall als gegeben angesehen.

    Des Weiteren sei auch die gegen Ende der Zahlungen seitens des Schuldners erbetene Teilzahlungsvereinbarung ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit gewesen. Eine Bitte um eine Ratenzahlungsvereinbarung sei zwar nicht per se ein Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit (vgl. jetzt § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO, der auf den vom BGH entschiedenen Fall noch keine Anwendung fand). Sie könne nämlich aus verschiedenen Gründen erbeten werden, etwa zur Erzielung von Zinsvorteilen oder zur Vermeidung von Kosten und Mühen im Zusammenhang mit der Aufnahme eines weiteren Darlehens. Ein Indiz für eine Zahlungseinstellung liege in einem solchen Fall aber vor, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten anders nicht begleichen zu können. Diese Umstände hat der BGH im entschiedenen Fall erkannt.

    Schließlich deutete auch der Umstand, dass der Schuldner die Teilzahlungen von bei unterschiedlichen Kreditinstituten unterhaltenen Konten geleistet hatte, nach Auffassung des BGH auf eine Zahlungseinstellung hin. Offenbar seien Zahlungen gerade von solchen Konten erfolgt, auf denen sich zufällig genügend flüssige Mittel befanden.

    Aus dieser Entscheidung kann für Gläubiger erneut nur der Schluss gezogen werden, gegebenenfalls rückständige Forderungen zeitnah konsequent beizutreiben. Längeres Zuwarten und Teilzahlungskompromisse begründen sehr schnell Indizien für eine Zahlungseinstellung, die dem Insolvenzverwalter des später insolvent gewordenen Schuldners die Vorsatzanfechtung ermöglicht.

    Dr. Jürgen Hoffmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/18

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