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Digitalisierung des Gesellschaftsrechts: Online-Gründung von Kapitalgesellschaften nach dem EU-Company Law Package
Am 31. Juli 2019 ist die EU-Richtlinie zur Einführung digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht in Kraft getreten (Richtlinie (EU) 2019/1151). Der Einsatz digitaler Technologien insbesondere bei der Gründung von Kapitalgesellschaften soll die Aufnahme wirtschaftlicher Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten erleichtern und effizienter gestalten. Die Richtlinie ist Teil der Gesamtstrategie der EU-Kommission für einen „digitalen Binnenmarkt“. Sie markiert einen Wendepunkt für das nationale Gesellschaftsrecht. Ziel ist es, die EU insgesamt wettbewerbsfähiger zu machen und in das digitale Zeitalter zu führen. Neben der Richtlinie hat das europäische Parlament auch die Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen verabschiedet. Beide Richtlinien enthalten Änderungen und Ergänzungen der aktuellen Gesellschaftsrechtsrichtlinie 2017/1132.
Im Zentrum der Novellierung durch die Richtlinie 2019/1151 steht die Gründung von Kapitalgesellschaften: Die vollständige Online-Gründung soll für die GmbH und die UG (haftungsbeschränkt) möglich werden. Sie eröffnet zwar grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Online-Gründung für die AG und KGaA. Die Mitgliedstaaten haben aber ein Opt-Out-Recht, um die Gesellschaftsformen hiervon auszunehmen. Deutschland dürfte und sollte hiervon Gebrauch machen. Die AG und KGaA haben eine komplexe, sehr beratungsintensive Organisationsstruktur. Es sind auch keine wesentlichen Wettbewerbsauswirkungen zu erwarten, da beide Rechtsformen ohnehin nicht als typische „Gründungsrechtsformen“ bekannt bzw. empfehlenswert sind.
Die Richtlinie gewährt den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht, ob sie auch die Online-Sachgründung ermöglichen wollen. Die Sachgründung ist deutlich komplexer und hat höhere Formanforderungen. Dies in das noch nicht erprobte Online-Gründungsverfahren umzusetzen würde erhebliche Risiken bergen. Es wäre zu begrüßen und ist zu erwarten, dass sich Deutschland bei der Umsetzung auf die Bargründung beschränken wird.
Auch die Beteiligung von juristischen Personen an der Online-Gründung ist vorgesehen. Sie birgt aber besondere Risiken und Anforderungen. Eine gelungene Umsetzung muss sicherstellen, dass die Existenz der jur. Person und die Vertretungsberechtigung der Handelnden geprüft werden. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn ausländische jur. Personen beteiligt sind. Die Qualitäts- und Publizitätsstandards der nationalen Register der Mitgliedstaaten variieren noch stark. Den Mitgliedstaaten steht daher wiederum ein Opt-Out-Recht zu, um jur. Personen von der Online-Gründung auszunehmen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Deutschland die neuen Regelungen zunächst nur für natürliche Personen für anwendbar erklären.
Der Richtliniengesetzgeber hat bei seiner Strategie auch die Rechtssicherheit im Auge gehabt: Die Mitgliedstaaten können beispielsweise die digitale Beteiligung eines Notars vorsehen oder kombinierte Verfahren ermöglichen, bei denen ein Beteiligter persönlich beim Notar anwesend ist, die anderen aber nur online zugeschaltet sind. Das persönliche Erscheinen soll zudem aus Gründen des öffentlichen Interesses angeordnet werden können. Dies erscheint sachgerecht bei Anhaltspunkten, die einen Verdacht des Identitätsmissbrauchs nähren.
Die Richtlinie 2019/1151 enthält neben der Einführung der Online-Gründung noch weitere ergänzende Regelungen, die hier nur im Überblick genannt werden sollen:
- Bereitstellung einer GmbH-Mustersatzung in deutscher und einer gängigen ausländischen Sprache (wohl Englisch), um die Online-Gründung weiter zu erleichtern;
- Informationsaustausch zu sog. “disqualifizierten” Geschäftsführern; Informationen über von der Ausübung des Geschäftsführeramts ausgeschlossene Personen sollen erfasst und auf Anfrage grenzüberschreitend ausgetauscht werden können:
- Online-Einreichung von Gesellschaftsunterlagen: Die Vorschrift zielt auf die bessere Verfügbarkeit von online einsehbaren Dokumenten, begründet aber für Deutschland aufgrund der bereits existierenden Handelsregister-Regelungen voraussichtlich wenig Änderungsbedarf; und
- Online-Registrierung von Zweigniederlassungen: Entsprechend den Regelungen zur Online-Gründung soll die unionsweite Eintragung von Zweigniederlassungen ermöglicht werden.
Insgesamt bringt die Richtlinie 2019/1151 eine wesentliche Erleichterung der Gründung von Kapitalgesellschaften sowohl innerhalb Deutschlands als auch grenzüberschreitend im Unionsgebiet. Gleichzeitig legt sie auch großen Wert auf Schutzvorkehrungen vor Missbrauch. Die bewährte Stellung der Notare als Hüter der Rechtssicherheit wird anerkannt und in das digitale Zeitalter überführt. Die Umsetzungsfrist von zwei Jahren ist knapp bemessen. Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber die EU-Vorgaben nur zögerlich oder vor dem Hintergrund der aktuellen Digitalisierungsdebatte mutig umsetzen wird. Mit einer ausgewogenen Umsetzung wäre ein guter Boden bereitet für den Eintritt des Gesellschaftsrechts in das digitale Zeitalter.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/19
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