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    Effektiver Rechtsschutz zur Korrektur einer unrichtigen GmbH-Gesellschafterliste

    Mit Urteil vom 17.05.2023 (Az. 23 U 14/23) hat sich das Berliner Kammergericht (entspricht den Oberlandesgerichten in anderen Bundesländern) zu der Frage positioniert, ob ein Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtschutzes nicht nur die Einreichung einer unrichtigen Gesellschafterliste verhindern, sondern auch die Einreichung der früheren – aus seiner Sicht allein richtigen – Gesellschafterliste fordern kann.

    Sachverhalt

    Die Antragstellerin ist als Gesellschafterin an der Antragsgegnerin, einer GmbH, beteiligt. Zu der streitigen Gesellschafterversammlung lud die Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht ein, so dass diese keine Kenntnis von der Gesellschafterversammlung erlangen konnte. In Abwesenheit der Antragstellerin beschloss die Gesellschafterversammlung die Einziehung der Anteile der Antragstellerin an der Antragsgegnerin. Einen Tag später reichte der Geschäftsführer der Antragsgegnerin eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, auf der die Antragstellerin nicht mehr eingetragen war.

    Die Antragstellerin ging dagegen im Wege des einstweiligen Rechtschutzes vor und begehrte insbesondere die sofortige Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste, auf der sie noch aufgeführt war.

    Entscheidung des Kammergerichts

    Ein Antrag im einstweiligen Rechtschutz setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Auch darf grundsätzlich nicht die Hauptsache vorweggenommen werden. Hier bejahte das Kammergericht beides, Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund. Kernfrage war indes, ob ein Gericht anordnen kann, dass „schon jetzt“ die alte – aus Sicht der Antragstellerin allein richtige – Gesellschafterliste eingereicht wird. Das ist im einstweiligen Rechtschutz deswegen problematisch, weil die eigentliche Entscheidung in der Hauptsache ergeht und daher nicht vorweggenommen werden darf. Das Kammergericht entschied aber gleichwohl auch insofern zugunsten der Antragstellerin.

    Das Gericht begründete das damit, dass unproblematisch ein Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer wahrscheinlich unrichtigen Gesellschafterliste geben sein kann. Dies spreche auch für die Bejahung eines Beseitigungsanspruch einer falschen Gesellschafterliste. Dafür streite das Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Andernfalls hinge dieser von zeitlichen Zufälligkeiten ab. Überdies würde derjenige Gesellschafter benachteiligt werden, der wegen Ladungsmangels keine Kenntnis von der Gesellschafterversammlung hatte. Die Schutzwürdigkeit des nicht geladenen Gesellschafters liege darin begründet, dass dieser sich mangels Kenntnis nicht vorher mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage habe wehren können. Spiegelbildich würde die Gesellschaft, die rechtswidrig den einstweiligen Rechtsschutz unterläuft, andernfalls privilegiert werden. Als milderes Mittel kommt für das Kammergericht nicht in Betracht, der Liste einen Widerspruch zuzuordnen, da dieser nur vor Rechtsverlust aufgrund gutgläubigen Erwerbs schütze. Hingegen bleibe die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG unberührt. Nach der Norm gilt derjenige, der nicht in der Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen ist, nicht als Gesellschafter.

    Ausschlaggebend war für das Kammergericht, dass die Antragsgegnerin den vorläufigen Rechtschutz der Antragstellerin (Einreichung einer Unterlassungsklage) gezielt vereitelt hatte. Jedenfalls bei einer solchen eindeutigen Konstellation bestehe eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, da die Gesellschaft nicht schutzwürdig sei und sonst der effektive Rechtschutz ohne Weiteres unterlaufen werden könne.

    Damit knüpft das Kammergericht nahtlos an seine frühere Entscheidungspraxis an: Schon mit Beschluss vom 10.07.2019 (Az. 2 W 16/19) hatte es entschieden, dass ein zu Unrecht nicht eingetragener Gesellschafter einen Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste gegen die Gesellschaft hat. Er muss sich nicht auf einen nachgelagerten Prätendentenstreit (Streit mehrerer Personen um ein Recht, das nur einem zustehen kann) mit dem zu Unrecht in der Gesellschafterliste eingetragenen Scheingesellschafter verweisen lassen. Auch in dieser Konstellation hat das Kammergericht im Einklang mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes geurteilt. Tragendes Argument war für das Kammergericht der Vergleich von § 16 Abs. 1 GmbHG mit § 67 Abs. 2 AktG, wonach der tatsächlich Berechtigte wegen der weitreichenden Legitimationswirkung einen Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Liste hat.

    Für die Praxis bedeutet dies, dass eine Gesellschaft ihre Gesellschafter stets zu Gesellschafterversammlungen einladen und anhören muss (ohnehin eine Selbstverständlichkeit), bevor deren Anteil eingezogen und eine entsprechend angepasste Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht wird. Aus Sicht der betroffenen Gesellschafter wird durch diese Rechtsprechung effektiver Rechtsschutz gewährleistet, wenn eine Gesellschaft (vorbeugenden) Rechtsschutz gezielt unterläuft und sie „auf kaltem Weg“ mit zweifelhaften Methoden aus der Gesellschaft drängen will. Der Entscheidung ist insofern uneingeschränkt zuzustimmen.

    Dr. Gerd Krämer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/24

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