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    Ende der „Wucherzinsen“ rückt näher

    Werden Steuern vom Finanzamt festgesetzten, deren Entstehung mehr als 15 Monate zurückliegt, so ist der Steuerbetrag mit einem Zinssatz von 0,5 % pro Monat, d.h., 6 % pro Jahr zu verzinsen. Diese so genannte Vollverzinsung steht seit langem in der Kritik.

    Ursprünglich sollte die Verzinsung einen Ausgleich für den erzielten Liquiditätsvorteil darstellen. Durch die weit über dem Marktdurchschnitt liegendeZinshöhe haben sich die Zinsen bei vielen Betriebsprüfungen für länger zurückliegende Zeiträume zu dem eigentlichen Risiko für den Mandanten entwickelt. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirkt in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen nach § 233a AO in den letzten Jahren mehr als 2 Mrd €.

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte noch im Jahr 2015 entschieden, dass jedenfalls für Verzinsungszeiträume bis einschließlich Dezember 2011 nicht von einer Verfassungswidrigkeit der Zinshöhe ausgegangen werden kann. Die Begründung des damaligen Urteils ließ jedoch bereits Hoffnung aufkommen, dass der BFH für spätere Zeiträume eine andere Ansicht vertreten wird, wenn das niedrige Zinsniveau bestehen bleibt.

    In einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 20. April 2018 kommt der BFH bei einer summarischen Prüfung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu dem Ergebnis, dass erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 bestehen.

    Der BFH begründet seine Entscheidung mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreitet den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveaus strukturell und nachhaltig verfestigt habe. Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht mehr.

    Auch eines der Hauptargumente der Finanzverwaltung, dass das einheitliche Zinsniveau einer Verwaltungsvereinfachung diene, lässt der BFH nicht zu. Auf Grund der auf moderner Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht mehr entgegenstehen.

    Nach Ansicht des BFH bestehen auch schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot entspricht.

    Der Beschluss ist im Rahmen eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ergangen. In diesem Verfahren hatte der BFH keine Gelegenheit, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Es ist nach dieser Entscheidung aber davon auszugehen dass der BFH die nächste Gelegenheit nutzen wird, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes für Zeiträume nach 2011 dem Verfassungsgericht zu Entscheidung vorzulegen. Vor diesem Hintergrund sollte gegen jeden Zinsbescheid der Zeiträume nach 2011 umfasst, Einspruch eingelegt werden. Da auf ausgesetzte Zinszahlung keine Aussetzungszinsen anfallen ist es darüber hinaus auch zu empfehlen, Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Diese sollte auf der Grundlage des vorliegenden BFH Beschlusses regelmäßig auch gewährt werden, wenn nicht von dem Finanzamt dann aber jedenfalls von dem Finanzgericht.

    Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann es noch einige Zeit dauern. Es besteht aber eine begründete Hoffnung, dass der Gesetzgeber den Beschluss des BFH zum Anlass nimmt, die Zinshöhe auch ohne eine Entscheidung des Verfassungsgerichts zu korrigieren.

    Jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten. Als Wermutstropfen ist insofern auch darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des BFH natürlich auch für die Höhe der Erstattungszinsen gilt und somit das Finanzamt als „beste Geldanlage“ ausgedient haben wird.

    Dr. Uwe Scholz

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/18

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