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Frist nicht verpassen: Wichtige, aber eng befristete Gestaltungsoption für Gesellschafter von BGB-Gesellschaften - Ausscheiden statt Auflösung verhindern
Vielfach übersehen wird eine Gestaltungsoption des MoPeG – Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Personengesellschaften. Dieses tritt am 1.1.2024 00.00 Uhr in Kraft. Es bringt für Personengesellschaften und ihre Gesellschafter zahlreiche grundlegende Änderungen. Die verändern zum Teil ganz grundlegend das Gesellschaftsrecht. Ganz ohne jedes Zutun der Gesellschafter. Einen echten Regimewechsel gibt es bei BGB-Gesellschaften (andere Begriffe: Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder kurz GbR). Das MoPeG ändert fundamental die Rechtsfolge der in der Person eines Gesellschafters liegenden gesetzlichen Gründe, die bislang zur Auflösung der GbR führten (insb. Kündigung, Tod). Künftig führen die Gründe zum Ausscheiden des Betroffenen aus der GbR. Die besteht unter den übrigen Gesellschaftern fort. Jeder Gesellschafter kann aber verlangen, am bisherigen Gesetzesrecht festzuhalten. Wer das will, muss sich beeilen. Spätester Zeitpunkt der Option ist zwar erst der 31.12.2024. Doch das MoPeG fordert ihre Ausübung, bevor ein Auslösungsgrund eintritt. Das kann tagtäglich sein.
I.Hintergrund der Gestaltungsoption
Das MoPeG ändert bei der rechtsfähigen (sog. Außen-)GbR alle in der Person eines Gesellschafters begründeten bisherigen Auflösungsgründe in Ausscheidensgründe. Das liegt auf der Linie des Gesetzes, den Grundsatz der Kontinuität der Gesellschaft zu etablieren. Damit bricht das MoPeG mit einer jahrhundertealten Tradition. Bislang sah das Gesetz die GbR als ein im Vertrauen auf die Individualität der Gesellschafter eingegangenes persönliches Rechtsverhältnis. Der Grundsatz kam in den §§ 723, 725, 727 Abs. 1, 728 BGB zum Ausdruck. Das MoPeG ändert das grundlegend durch neueRegelungen. Die wesentlichen Änderungen:
- Bislang führte jede (ordentliche und außerordentliche) Kündigung eines Gesellschafters zur Auflösung der GbR. Künftig ist das anders: (i) Der Gesellschafter kann grundsätzlich nur noch seine eigene Mitgliedschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden („Austrittskündigung“). Die führt zu seinem Ausscheiden aus der GbR. Diese besteht mit den übrigen Gesellschaftern als werbende Gesellschaft fort. (ii) Der Gesellschafter kann die Gesellschaft nur noch aus wichtigem Grund kündigen (Auflösungskündigung).
- Auch die Kündigung durch Privatgläubiger eines Gesellschafters ist nur noch eine Kündigung der Mitgliedschaft mit der Folge des Ausscheidens des Gesellschafters; der Dritte kann also nicht die Gesellschaft als solche kündigen.
- Der Tod eines Gesellschafters führt nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des Verstorbenen.
- Die Gesellschafterinsolvenz führt nicht mehr zur Auflösung der GbR. Vielmehr besteht die GbR als werbende Gesellschaft fort, und der insolvente Gesellschafter scheidet aus ihr aus.
II.Gestaltungsoption: Verlangen auf Fortgeltung des Altrechts
Der Regimewechsel ist für Gesellschafter kein unabänderliches Schicksal. Sie können selbstverständlich zum einen den Gesellschaftsvertrag ändern – einvernehmlich oder mit den im Vertrag vorgesehenen Mehrheiten. Zum anderen bietet das Gesetz (Art. 229 § 61 EGBGB) eine Gestaltungsoption gegen den Regimewechsel zum Prinzip Ausscheiden statt Auflösung. Danach sind die alten Auflösungsgründe (§§ 723 bis 728 BGB) weiter anzuwenden, wenn „ein Gesellschafter bis zum 31. Dezember 2024 die Anwendung dieser Vorschriften gegenüber der Gesellschaft schriftlich verlangt, bevor innerhalb dieser Frist ein zur Auflösung der Gesellschaft oder zum Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund eintritt“. Das Verlangen kann allerdings durch Gesellschafterbeschluss zurückgewiesen werden.
Jeder Gesellschafter kann das Verlangen stellen – uE auch mehrfach. Viel spricht dafür, dass nicht nur Altgesellschafter das Verlangen stellen können, sondern auch Neugesellschafter, die 2024 in eine Altgesellschaft eintreten. Privatgläubigern eines Gesellschafters steht die Option wohl nicht zu; Dritte sollen nach der Idee des Gesetzes die Auflösung einer Gesellschaft nicht mehr erzwingen können. Das schriftlich zu stellende Verlangen (Mail, Fax etc. genügen nicht) muss gerichtet sein auf die Fortgeltung des Altrechts zur Auflösung insgesamt; Rosinenpickerei scheidet aus. Eine Begründung des Verlangens ist nicht erforderlich. Zu richten ist das Verlangen an die Gesellschaft als solche, vertreten durch einen ihrer vertretungsberechtigten Gesellschafter.
UE können Gesellschafter das Verlangen jederzeit seit Inkrafttreten des MoPeG stellen. Da das Gesetz völlig neu ist, gibt es selbstredend zu der Frage noch keine Rechtsprechung oder aussagekräftige Literatur. Vorsichtig handelnde Gesellschafter, die das Verlangen vor Inkrafttreten des Gesetzes stellen, können ihre Erklärung aufschiebend bedingt zum Inkrafttreten des Gesetzes stellen und zudem nach dem Inkrafttreten wiederholen.
Beim Verlangen ist Eile geboten. Es ist in jedem Fall befristet bis zum 31.12.2024. Das Verlangen muss nach dem Gesetz außerdem gestellt sein, „bevor innerhalb dieser Frist ein zur Auflösung der Gesellschaft oder zum Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund eintritt“. Wenn zB am 1.1.2024 ein Mitgesellschafter verstirbt, ist der Ausscheidensgrund definitiv eingetreten. Dann ist kein wirksames Verlangen mehr möglich. Nicht vollständig geklärt ist, wann zB bei der Kündigung im Sinne des Gesetzes ein „zur Auflösung … führender Grund eintritt“. Unserer Meinung nach ist das der Eintritt der Kündigungsfolge bzw. die Wirksamkeit der Kündigung und nicht bereits die Kündigungserklärung. Gesichert ist das aber nicht. Auch daher ist Eile beim Verlangen geboten. Offen ist auch, ob bis Ende 2024 überhaupt ein Auflösungs- und Ausscheidensgrund eintreten muss; das wird in der Literatur so vertreten, auch das ist aber nicht sicher. Ein Gesellschafter, der das Verlangen stellen will, wird sich durch die ungeklärte Rechtsfrage aber nicht beirren lassen, das Verlangen zu stellen; das Schlimmste, was ihm passieren kann, das ist, dass das Verlangen leerläuft. Dann ist die Rechtslage des Gesellschafters aber nicht schlechter, als hätte er das Verlangen gar nicht gestellt.
Formulierungsvorschlag für Fortgeltungsverlangen:
„Hiermit verlange ich gem. Art. 229 § 61 S. 1 EGBGB, dass die §§ 723 bis 728 des BGB in der vor dem 1. Januar 2024 geltenden Fassung in unserer Gesellschaft weiter anzuwenden sind. Vorsorglich stelle ich das Verlangen hiermit erneut aufschiebend bedingt zum 1.1.2024, 00.00 Uhr.“
III.Zurückweisung des Fortgeltungsverlangens durch Gesellschafterbeschluss
Die Gesellschaft kann das Verlangen durch Gesellschafterbeschluss zurückweisen. Ist der Beschluss rechtmäßig, ist die neue Gesetzeslage maßgebend. Die wirksame Zurückweisung des Verlangens führt im Ergebnis zur Geltung der gesetzlichen Rechtsfolge des Ausscheidens eines Gesellschafters. Bei der Beschlussfassung sind alle Gesellschafter stimmberechtigt. Grundsatz für Beschlüsse ist bei der GbR Einstimmigkeit. Sieht der Gesellschaftsvertrag Mehrheitsbeschlüsse vor, ist die Zurückweisung mit Mehrheit möglich. Das erfordert jedenfalls das Mehrheitsquorum und die sonstigen Voraussetzungen für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags. Zum Zeitpunkt des Zurückweisungsbeschlusses schweigt sich das Gesetz aus. Jedenfalls kann uE der Zurückweisungsbeschluss während des gesamten Jahres 2024 gefasst werden. Verlangt ein Gesellschafter die Fortgeltung – ggf. verbunden mit einer Kündigung – erst so kurz vor Ende des Jahres 2024, dass eine Beschlussfassung über die Zurückweisung im Jahr 2024 gar nicht mehr möglich ist, muss die Zurückweisung auch im Jahr 2025 noch beschlossen werden können, wenn das unverzüglich, dh ohne schuldhafte Verzögerung erfolgt. Wollen die anderen Gesellschafter vorsichtig sein, werden sie sich vor dem Hintergrund der ungeklärten Rechtslage nicht mehr Zeit lassen als nötig und eine Beschlussfassung alsbald nach dem Verlangen auf die Tagesordnung setzen. Ein zwischenzeitlich eingetretener Auflösungs- oder Ausscheidensgrund hindert nicht die Beschlussfassung.
Formulierungsvorschlag für Zurückweisungsbeschluss:
„Das Verlangen des Gesellschafters G vom ##. ##. 2024 sowie des Gesellschafters H vom ##. ##. 2024 gem. Art. 229 § 61 S. 1 EGBGB, dass die §§ 723 bis 728 des BGB in der vor dem 1. Januar 2024 geltenden Fassung in unserer Gesellschaft weiter anzuwenden sind, wird zurückgewiesen.“
Dr. Thomas Heidel / Dr. Jürgen Hoffmann
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/23
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