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Gekauft oder doch geschenkt? Insolvenzanfechtung bei gutgläubiger Preisfestlegung
Insolvenzanfechtungen gewinnen seit einigen Jahren mehr und mehr an Bedeutung. Angefeuert durch eine anfechtungsfreundliche Rechtsprechung nutzen auch Insolvenzverwalter zunehmend dieses Rechtsinstrument. Daher sind Rechtsgeschäfte unter Beteiligung eines wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmens immer auch auf Anfechtungsrisiken zu prüfen. Erfreulicherweise hat der BGH nun in einem Teilaspekt für mehr Rechtssicherheit gesorgt. Er hat Anfechtungsrechte zu Lasten der Insolvenzverwalter eingeschränkt.
Im BGH-Fall, Urteil vom 15.09.2016, Az.: IX ZR 250/15, verlangte ein Insolvenzverwalter vom Verkäufer eines Geschäftsanteils die Rückzahlung des Kaufpreises. Käuferin war die spätere Insolvenzschuldnerin. Die Vertragspartner hatten gemeinsam auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung den Kaufpreis für den verkauften Geschäftsanteil festgelegt. Die Käuferin zahlte den Kaufpreis. Ca. 3 Jahre später stellte sich heraus, dass der Geschäftsanteil wertlos war. Der Insolvenzverwalter hielt die Zahlung des Kaufpreises für eine unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO) des Käufers. Der Kaufpreiszahlung habe objektiv betrachtet aufgrund der Wertlosigkeit des Geschäftsanteils keine angemessene Gegenleistung gegenüber gestanden. Solche unentgeltlichen Leistungen von Insolvenzschuldnern sind innerhalb der Anfechtungsfrist von vier Jahren anfechtbar. Der BGH wies die Klage letztinstanzlich ab.
Der BGH bestätigt im Ausgangspunkt seiner aktuellen Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung. Ob eine Leistung unentgeltlich ist, beantworte sich nach objektiven Kriterien. Andernfalls könnten die Beteiligten bei einer wertlosen Gegenleistung allein durch vertragliche Absprachen der objektiv wertlosen Gegenleistung einen Wert beimessen. Solches vereitle den Zweck der Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen. Derartige objektive Betrachtungen entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BGH zur Insolvenzanfechtung und zu verwandten Rechtsfragen. Neu und wichtig für die Praxis ist die Auffassung des BGH, dass bei einem Irrtum der Beteiligten über den Wert der Gegenleistung die Rechtslage anders ist: Wollen die Beteiligten nach ihren Vorüberlegungen und den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung einen entgeltlichen Leistungsaustausch und gehen sie in gutem Glauben von der Werthaltigkeit der Gegenleistung aus, besteht nach dem BGH bei nachträglich zu erkennender Wertlosigkeit der Gegenleistung kein Raum für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung. Der BGH subjektiviert also ein Stück weit die Voraussetzungen dieser Anfechtungsart.
Für die Praxis z.B. bei Unternehmenskäufen bringt die Entscheidung erhebliche Erleichterungen und wird die Beteiligten erfreuen. Eine nicht unerhebliche Zahl von Unternehmenskäufen unterliegt dem Risiko, dass sich nachträglich die Wertlosigkeit der verkauften Beteiligung an einer erworbenen Gesellschaft herausstellt und hierdurch der Käufer insolvent wird. Wenn in solch einer Situation die Beteiligten aufgrund der ihnen bekannten Umstände von der Werthaltigkeit der verkauften Beteiligung ausgehen, reduziert die neue Entscheidung des BGH deutlich die Gefahr, dass eine Insolvenzanfechtung wegen Unentgeltlichkeit nach § 134 InsO durchschlägt. Zwar sind auch nach der Entscheidung des BGH die Kriterien unscharf, wann der Irrtum der Beteiligten über die Werthaltigkeit der veräußerten Gesellschaftsanteile beachtlich ist. Es müssen verlässliche Wertindikatoren vorliegen – im Zweifel am besten eine verlässliche Unternehmensbewertung oder zeitnahe Verkäufe weiterer Gesellschaftsanteile zum selben Preis. Unabhängig von den konkreten Voraussetzungen können nach der Entscheidung des BGH die subjektiven Vorstellungen der Parteien einer Anfechtung entgegenstehen. Das Anfechtungsrisiko hängt damit nicht mehr allein von der oftmals nicht sicher zu prognostizierenden wirtschaftlichen Entwicklung der Zielgesellschaft oder des Käufers ab.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/17
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