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    Geschäftsführerhaftung bei Zahlungsunfähigkeit einer GmbH

    In einer aktuellen Entscheidung setzt sich der BGH mit der Haftung des Geschäftsführers im Rahmen einer - etwaigen - Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auseinander (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – II ZR 337/17). Die Entscheidung hat grundlegende Bedeutung auch über die GmbH hinaus.

    Im vorliegenden Fall hatte der beklagte Geschäftsführer von Januar bis März 2010 Zahlungen in Höhe von knapp 200.000 € an verschiedene Gläubiger geleistet. Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, dass die GmbH jedoch schon seit Ende November 2009 zahlungsunfähig war. Dabei stützte es sich maßgeblich auf eine vertragliche Fälligkeitsregelung mit einem Dienstleister. Der Beklagte verteidigte sich, dass er sich mit dem Dienstleister einig gewesen sei, dass die Rechnung jedenfalls bis Ende März 2010 nicht fällig sei und stellte dies unter Beweis. Dies beachtete das Berufungsgericht jedoch nicht und verurteilte ihn aus einem weiteren Sachverhalt zur Rückzahlung von 12.500 €, die er nach Zahlungsunfähigkeit an Gläubiger geleistet hatte. Der Beklagte legte gegen das Urteil Rechtsmittel beim Bundesgerichtshof (BGH) ein und berief sich dabei auf das Haftungsprivileg des § 64 Satz 2 GmbHG. In der Entscheidung des Berufungsgerichts sah er zugleich eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

    Geschäftsführer sind nach § 64 Satz 1 GmbHG der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder nach ihrer Überschuldung geleistet werden. Das hat das Gericht zu ermitteln. Dabei hat es die Ausführung der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Nach dem BGH setzt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht auf den wesentlichen Kern des Vorbringens einer Partei zu einer Frage nicht ein, die von zentraler Bedeutung ist, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - VII ZR 13/18). Im vorliegenden Fall bejahte der BGH einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, da das Berufungsgericht nicht zu erkennen gab, sich mit dem Beklagtenvortrag zur Fälligkeit auseinandergesetzt zu haben. Er hob die Verurteilung zu knapp 200.000 € daher auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurück.

    Dagegen bestätigte der BGH die Verurteilung auf Rückzahlung der 12.500 €. Nach § 64 Satz 2 GmbHG haftet der Geschäftsführer ausnahmsweise dann nicht für geleistete Zahlungen, die nach Zahlungsunfähigkeit getätigt wurden, wenn sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Diese Ausnahme ist eng auszulegen. Dass der Geschäftsführer durch das Zahlungsverbot daran gehindert wird, die GmbH nach Insolvenzreife fortzuführen, ist ein gesetzlich gewollter Reflex von § 64 GmbHG. Er darf die Gesellschaft nicht auf Kosten und Gefahr der Gläubiger mit dem Risiko einer weiteren Minderung der Haftungsmasse fortführen. Allenfalls soweit eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung zunichte gemacht werden würde, können nach dem BGH Zahlungen zur Vermeidung noch größerer Nachteile mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sein und damit das Verschulden entfallen lassen. Dafür reicht es jedoch nicht, dass sich aus den Bilanzen eine allgemeine positive wirtschaftliche Entwicklung ergibt. Denn daraus lässt sich nicht schließen, dass die konkreten Zahlungen zur Erhaltung einer konkreten Chance auf Sanierung und Fortführung der Gesellschaft im Insolvenzverfahren erforderlich waren (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juni 2015 - II ZR 366 / 13; BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319 / 15).

    Leitungsorganen ist vor allem in Zeiten einer angespannten Unternehmenssituation zu raten, die Protokollierung ihrer Entscheidungen und Entscheidungsfindung ernst zu nehmen und in Zweifelsfällen schriftlichen Rechtsrat einzuholen. Nur dann und unter engen Voraussetzungen kann sich ein Leitungsorgan der Haftung entziehen (BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234 / 09 – ISION). Insbesondere wenn hohe Rechnungen gestellt werden, die die Existenz der Gesellschaft gefährden können, sollte ein Organ schriftlich festhalten, dass und warum diese Rechnung nicht zur Zahlungsunfähigkeit führt. Solche Schriftstücke können in einen späteren Haftungsprozess eingeführt werden und vermindern das Risiko, dass das Gericht relevanten Tatsachenvortrag nicht beachtet. Besondere Vorsicht ist bei Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit geboten: Das Organ sollte in diesem Fall unbedingt schriftlich festhalten, warum gerade diese Zahlung eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung des Unternehmens ermöglicht und zudem erforderlich ist. Eine allgemeine positive wirtschaftliche Entwicklung ist nicht ausreichend.

    Dr. Moritz Beneke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/19

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