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Kündigung wegen Alkoholsucht des Arbeitnehmers und betriebliches Eingliederungsverfahren
Eine Alkoholerkrankung berechtigt den Arbeitgeber nicht nur dann zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie mit beträchtlichen Fehlzeiten des Arbeitnehmers einhergeht, sondern auch bei sonstiger erheblicher Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.
Die Arbeitgeberin war ein Entsorgungsunternehmen, bei der ein striktes Alkoholverbot galt. Der Arbeitnehmer wurde - obschon einschlägig abgemahnt - wiederholt, mal leicht, mal stärker alkoholisiert angetroffen. Er hatte alkoholisiert mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Betriebsgeländes einen Unfall verursacht. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.03.2014, Az.: 2 AZR 565/12, in Fortsetzung seiner Rechtsprechung die ordentliche Kündigung durch personenbedingte Gründe als sozial gerechtfertigt angesehen. Ist zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, könne eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung sei, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen bestehe, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden könne und diese auch bei Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müsse. Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung komme es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit sei, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehne er dies ab, könne erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt werde. Ebenso könne eine negative Prognose dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden sei. Eine erhebliche Beeinträchtigung liege vor, wenn die Verrichtung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit mit einer beachtlichen Selbst- und Fremdgefährdung verbunden ist und der Arbeitnehmer mangels Fähigkeit zur Alkoholabstinenz nicht die erforderliche Gewähr dafür biete, bei seiner Arbeitsleistung einschlägige Unfallverhütungsvorschriften ausnahmslos zu beachten.
Des Weiteren dürfe die Kündigung nicht unverhältnismäßig sein. Dies sei der Fall, wenn sie zur Beseitigung der eintretenden Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich sei. Die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung sei ein milderes Mittel. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit bestehe, habe eine Erkrankung des Arbeitnehmers keine erhebliche Beeinträchtigung des betrieblichen Interesses zur Folge. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein solcher Arbeitsplatz tatsächlich besteht.
Das Bundesarbeitsgericht hat auch die Frage behandelt, ob für die Frage der Zulässigkeit der Kündigung von Bedeutung sei, ob der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagementverfahren (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hat. Bei Alkoholismus komme nach dem Bundesarbeitsgericht ein solches Verfahren grundsätzlich in Betracht. Seine Durchführung sei wegen des Krankheitsbildes generell nicht als überflüssig anzusehen. Das Unterlassen eines bEM führt aber nicht zu der Annahme, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Das bEM sei kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können solche milderen Mittel, z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einen anderen, ggf. durch Umsetzung "frei zu machenden" Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Möglich sei, dass selbst ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall könne dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines bEM kein Nachteil entstehen. Erscheint dagegen ein positives Ergebnis denkbar, dürfe der Arbeitgeber sich nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausführen könne. Der Arbeitgeber habe vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen, noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht komme.
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht wichtige klarstellende Feststellungen zur Kündigung wegen Alkoholsucht getroffen, aber gleichzeitig die Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung eines bEM-Verfahrens weiter verfestigt.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/14
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