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Mindestlohngesetz: Fluch oder Segen?
Zum 01.01.2015 tritt das Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft, welches erstmals einen bundesweiten, branchenübergreifenden, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 brutto pro Arbeitsstunde einführt. Wie so oft, "der Teufel steckt im Detail" .
Auf den ersten Blick erscheint alles klar: der Mindestlohn beträgt 8,50 brutto pro Arbeitsstunde. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass viele Fragen offen geblieben sind.
Gilt der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer ab dem 01.01.2015? Grundsätzlich ja, aber das Gesetz nimmt bestimmte Praktika, Auszubildende, Kinder und Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Ehrenamtliche sowie, zeitlich begrenzt bis Ende 2015, Langzeitarbeitslose für die ersten 6 Monate der Beschäftigung vom Anwendungsbereich aus. Im Gegenzug gilt der Mindestlohn gerade für Rentner und Saisonkräfte, was in der Beratung kontrovers diskutiert wurde.
Kann der Arbeitgeber sicher sein, dass der bezahlte Arbeitslohn dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht? Nur solange der Arbeitnehmer einen festen Stundenlohn erhält. Warum? In Branchen, in denen Stück- und Leistungslohnvereinbarungen die übliche Form der Vergütung sind, bringt das Gesetz große Verunsicherung. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung, dass die Vereinbarung von Stück- und Akkordlöhnen auch nach Einführung des Mindestlohns zulässig bleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleistete Arbeitsstunde erreicht wird. Eine zentrale Frage für die Praxis ist in diesem Zusammenhang, ob und ggf. in welcher Weise eine Durchschnittsbetrachtung für einen längeren Zeitraum vorgenommen werden kann. Klar scheint zu sein, dass der Mindestlohn im Monatsdurchschnitt zu zahlen ist, mehr als fraglich ist, ob man längere Zeiträume berücksichtigen darf.
Im diesem Zusammenhang werden die Gerichte die Frage zu entscheiden haben, ob bzw. welche Zulagen, Zuschläge oder andere Sonderzahlungen, die ein Arbeitnehmer erhält, als Bestandteil des Mindestlohns zu werten sind. Auch dies wird vom Gesetzgeber nicht eindeutig beantwortet. Klarheit besteht lediglich darin, dass widerrufliche Leistungen sowie der Aufwendungsersatz (z. B. Fahrtkosten) nicht berücksichtigt werden. Bei sonstigen Zulagen (wie Mehrarbeitszulagen, Schichtzulagen u. ä.) ist nicht geklärt, ob sie bei der Berechnung Berücksichtigung finden.
In der Praxis stellt sich die Frage, was mit den bestehenden Verträgen geschieht. Wenn eine Anhebung des Lohns erforderlich ist, so kann dies vorzugsweise im Wege einer einvernehmlichen Vertragsänderung erfolgen. Ist der Arbeitnehmer mit der Änderung nicht einverstanden, bleibt nur noch der Weg der Änderungskündigung oder das Berufen auf das Recht zur Vertragsanpassung wegen Änderung der Geschäftsgrundlage, wobei beide Wege nicht vollkommen ungefährlich sind.
Das MiLoG enthält darüber hinaus umfangreiche Übergangsbestimmungen, die teilweise nur für bestehende Branchentarifverträge mit repräsentativen Tarifpartnern gelten. Welche Tarifpartner gelten als repräsentativ? Wie kann ein Arbeitgeber rechtssicher feststellen, ob ein Arbeitnehmer als Langzeitarbeitnehmer im Sinne des SGB III gilt, wenn das SGB III selbst zahlreiche Ausnahmen hat? Was zählt zum Mindestlohn und wie kann die Vertragsanpassung durchgesetzt werden? Diese Fragen werden die Gerichte mit Sicherheit noch beschäftigen. Zu beachten ist, dass Unsicherheiten der Rechtsauslegung grundsätzlich zulasten der Arbeitgeber gehen, die somit das Risiko der weitreichenden gesetzlichen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Mindestlohngrenze trifft. Und eins scheint klar zu sein: Mindestlohnwidrige Vergütungsvereinbarungen werden nicht automatisch "geltungserhaltend" auf den Mindestlohn angehoben. Vielmehr tritt § 612 BGB an die Stelle des unwirksamen Lohns, so dass die im Wirtschaftsgebiet übliche Vergütung geschuldet wird. Diese kann aber wesentlich höher als 8,50 pro Stunde sein.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/14
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