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OLG Köln zur Unwirksamkeit des Widerrufs einer Pensionszusage
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit Urteil vom 26. September 2024 (Az. 18 U 35/24) entschieden, dass eine Aktiengesellschaft (AG) nicht berechtigt ist, die Betriebsrente eines ehemaligen Vorstandsmitglieds nach mehr als 20 Jahren aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten einseitig zu kürzen. Ein gesetzliches Kürzungsrecht bestehe nicht; die entsprechende Klausel in der vertraglich vereinbarten Pensionszusage sei unwirksam, da sie das ehemalige Vorstandsmitglied wegen ihrer Intransparenz unangemessen benachteilige.
Sachverhalt
Der Kläger war seit 1968 bei der Rechtsvorgängerin der beklagten AG beschäftigt und stieg dort bis zum Vorstandsvorsitzenden auf. Im Rahmen seines Anstellungsvertrags wurde ihm eine Pensionszusage erteilt, die ihm ab dem vollendeten 65. Lebensjahr eine betriebliche Altersversorgung garantierte. Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger seit dem Jahr 2000 die monatliche Betriebsrente. Im Juli 2023 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten gezwungen sei, die Rentenzahlung um 50 % zu kürzen. Sie berief sich dabei auf eine Klausel in der Pensionszusage, die eine Kürzung der Rentenzahlungen bei nachhaltiger wirtschaftlicher Verschlechterung der Gesellschaft vorsah.
Der Kläger widersprach der Kürzung und forderte die Beklagte u.a. auf, die Rentenzahlung fortzusetzen. Da die Beklagte dem nicht nachkam, erhob er Klage. Das Landgericht (LG) Aachen gab dem Kläger vollumfänglich Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Betriebsrente. Die von der Beklagten eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das OLG Köln prüfte die Rechtmäßigkeit der Kürzung der Betriebsrente in zwei Schritten:
Zuerst prüfte es gesetzliche Kürzungsrechte. Die Kürzung des Ruhegehalts von Vorständen ist in § 87 Absatz 2 Satz 2 Aktiengesetz (AktG) spezialgesetzlich normiert. Danach ist die Kürzung von Versorgungszusagen aber nur innerhalb von drei Jahren nach Ausscheiden des Vorstandsmitglieds zulässig. Da der Kläger bereits seit 1998 ausgeschieden war, kam eine Kürzung auf dieser Grundlage nicht in Betracht. Auch eine Herabsetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) oder der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) lehnte das Gericht ab. Einerseits stelle § 87 Absatz 2 Satz 2 AktG für die in Frage stehende Kürzung eine Sondervorschrift dar, weshalb die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften (§ 242 BGB) daneben zweifelhaft sei. Selbst für den Fall der Anwendbarkeit müssten an diese jedoch noch strengere Voraussetzungen als an den § 87 Absatz 2 Satz 2 AktG gestellt werden, wenn über dessen Dreijahresfrist hinausgegangen werde. Die danach notwendig drohende Insolvenz der Beklagten sei nicht dargelegt worden. Diese Grenze sei auch hinsichtlich des § 313 BGB zu beachten, immerhin treffe das wirtschaftliche Risiko grundsätzlich die AG und könne nicht auf den Versorgungsberechtigten abgewälzt werden.
Danach prüfte das OLG Köln eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Kürzung. Zuerst stellte es im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Widerruf einer Versorgungszusage von Arbeitnehmern in Frage, ob die in der vertraglichen Klausel vorgesehene „wirtschaftliche Notlage“ als Voraussetzung der Kürzung nach Änderung der gesetzlichen Regelungen noch einen Grund für einen Widerruf der Pensionszusage darstellen könne. Diese Frage ließ das Gericht im Ergebnis offen, weil die Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) schon nach § 307 BGB bzw. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sei. Sie sei intransparent formuliert und räume dem Arbeitgeber ein nahezu schrankenloses Kürzungsrecht ein.
Das Gericht prüfte zunächst, ob es sich bei dem Kürzungsrecht um eine AGB-Klausel handelte. Dies ist gemäß § 305 Absatz 1 Satz 3 BGB nicht der Fall, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt wurden. Davon sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nur auszugehen, „wenn der Verwender [die AG] den in seinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stelle und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräume, mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.“ Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher wird gemäß § 310 Absatz 3 Nr. 1 BGB vermutet, dass die Klausel vorformuliert und nicht individuell ausgehandelt war. Da der Kläger bei Abschluss seines Anstellungsvertrags Verbraucher war, musste die beklagte AG beweisen, dass die Klausel im vorstehenden Sinne individuell ausgehandelt wurde, was ihr nicht gelang. Das Gericht stufte die Klausel deswegen als AGB ein und prüfte sie nach diesem Maßstab.
Das Gericht betonte, dass der Widerruf der Pensionszusage eine einseitige Benachteiligung des Klägers darstelle und in ein geschütztes Anwartschaftsrecht eingreife. Der Widerruf könne nicht mit der vertraglichen Anpassungsklausel gerechtfertigt werden. Die Kürzungsklausel benachteilige den Kläger unangemessen, weil sie keine klaren und objektiv nachprüfbaren Kriterien für eine Kürzung enthielt und so gegen das in § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB enthaltene Bestimmtheitsgebot verstoße. Für den Kläger hätte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht hinreichend klar werden können, wann die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sich so wesentlich verschlechtert habe, dass ihr eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistung nicht mehr zugemutet werden könne.
Hilfsweise führte das Gericht aus, dass, selbst wenn die Umstände für die Kürzung hinreichend bestimmt gewesen wären, die Rechtsfolge der Kürzung intransparent sei. Da Maßstäbe für die Bestimmung des Umfangs der Kürzung fehlten, habe die Beklagte im Ergebnis ein generelles, einseitiges und umfassendes Kürzungsrecht. Dies sei, da die Belange des Klägers darin keine Beachtung fänden, unwirksam nach § 308 Nr. 4 BGB wonach Klauseln über einseitige (Leistungs-)Änderungsvorbehalte grundsätzlich nur bei Zumutbarkeit für den Vertragspartner zulässig sind.
Eigene Würdigung
Das Urteil des OLG Köln ist für (ehemalige) Vorstände und Aufsichtsräte von großer Bedeutung. Vorstände und Aufsichtsräte sollten Pensionszusagen darauf überprüfen, ob AGB vorliegen und diese das Vorstandsmitglied ggf. unangemessen benachteiligen. Im Allgemeinen ist auf die hohen Anforderungen hinsichtlich der Bestimmtheit solcher Klauseln zu achten. Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit für Anspruchsinhaber von Betriebsrenten und verdeutlicht, dass „wirtschaftliche Schwierigkeiten“ allein keine ausreichend bestimmte Grundlage für eine Kürzung der Altersversorgung bieten. Die Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, rechtskonforme Vergütungsregelungen inklusive Ruhegehaltsregelungen abzuschließen, die die Belange von AG und Vorstand angemessen berücksichtigen. Muss die AG z.B. aufgrund unwirksamer Kürzungsklauseln überhöhte Ruhegehälter zahlen, kann die AG unter Umständen beim Aufsichtsrat Regress nehmen.
RA Dr. Moritz Beneke / WissMit Gregor Mankowski
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/25
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