Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    VW-Dieselskandal: BGH bestätigt Haftung von VW aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB

    Der BGH hat mit Urteil vom 25.05.2020 – IV ZR 225 / 19 – eine Grundsatzentscheidung gefällt, wonach VW den Käufern von Fahrzeugen, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen waren, so dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur im Testbetrieb eingehalten wurden, aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB haftet. Jedoch müssen die Käufer sich den Nutzungsvorteil durch den Gebrauch des Fahrzeuges im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen.

    Damit hat der BGH die von der überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte vertretene Rechtsauffassung (vergleiche insoweit Newsletter 6/18 sowie 6/19 und 7/19) bestätigt.

    Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

    Der Kläger erwarb im Jahr 2014 einen gebrauchten VW Sharan, der mit einem Motor des Typs EA 189 der Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet war. Die in dem Fahrzeug verbaute Motorsteuerung enthielt eine Software, die erkannte, ob das Fahrzeug sich auf einem Prüfstand oder im Normalbetrieb befand. Im Falle des Betriebes auf einem Prüfstand schaltete sie auf den Abgasrückführungsmodus 1, der Stickoxid (NOx) – optimiert war. In diesem Modus fand eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxid-Ausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb schaltete die Software auf den Abgasrückführungsmodus 0, in dem die Abgasrückführungsrate niedriger und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typengenehmigung der Emissionsklassen Euro 5 war maßgeblich der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die gesetzlich vorgesehenen Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

    Im September 2015 wurde bekannt, dass VW die vorstehend beschriebene Software verwendet hatte. Unter dem 15.10.2015 erließ das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Bescheid mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung. Das KBA ging dabei vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab VW auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Abgasgrenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Dieser Bescheid betraf auch das Fahrzeug des Klägers.

    In der Folge gab VW bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen die vorstehend beschriebene „Schummel-Software“ entfernt werden sollte. Am Fahrzeug des Klägers wurde das Software-Update im Februar 2017 aufgespielt.

    Im September 2017 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges auf unter Fristsetzung bis zum 01.10.2017 auf. Nachdem diese Aufforderung erfolglos geblieben war, erhob er Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen hieraus seit dem 02.10.2017 Zug-um-zu gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges sowie Feststellung, dass die Beklagte sich im Annahmeverzug befinde sowie Zahlung vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren.

    Das Landgericht Kreuznach (Urteil vom 05.10.2018 – 2 O 205/17) hatte die Klage abgewiesen. Auf Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 12.06.2019 – 5U 1318/18 das Urteil des Landgerichtes ab und verurteilte die Beklagte, an den Kläger 25.616,10 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2017 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges zu zahlen. Darüber hinaus hat es die begehrte Feststellung ausgesprochen und die Beklagte zur teilweisen Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen hierauf verurteilt. Den weitergehenden Zahlungsanspruch hat das Oberlandesgericht abgewiesen, weil der Kläger sich die Nutzungsvorteile im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen müsse.

    Gegen das Urteil des OLG Koblenz haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Beklagte verfolgte ihren Klageabweisungsantrag, der Kläger verfolgte seinen Zahlungsantrag, soweit dieser abgewiesen worden war, weiter.

    Die Revision der Beklagten blieb überwiegend ohne Erfolg sie führte lediglich in Bezug auf die Nebenpunkte der Feststellung des Annahmeverzuges und des Zinszeitraumes im Hinblick auf die Hauptforderung sowie auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten geringfügig zum Erfolg. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

    Mit seinem Urteil vom 25.05.2020 hat der BGH für die noch anhängigen Individualverfahren von Käufern von mit einer das Abgasverhalten manipulierenden Motorsteuerungssoftware versehenen Fahrzeugen Rechtsklarheit geschaffen:

    Der BGH hat bestätigt, dass das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, nicht nur eine arglistige Täuschung des KBA, um sich eine Typengenehmigung zu erschleichen, sondern in gleicher Weise eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung auch des Käufers darstellt. Dies gelte unabhängig davon, ob der Käufer das Fahrzeug neu oder gebraucht gekauft hat.

    Weiter hat der BGH bestätigt, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast getroffen habe, nachdem der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstandes von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen hatte. Diese sekundäre Darlegungslast habe die Beklagte getroffen, da der primär darlegungsbelastete Kläger keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung gehabt habe, während sie alle wesentlichen Tatsachen kannte und es ihr unschwer möglich und zumutbar war, nähere Angaben zu machen.

    Schließlich hat der BGH klargestellt, dass ein Vermögensschaden auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung vorliegt, wenn jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht wird, den er ansonsten nicht geschlossen hätte, weil die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens in diesen Fällen setze allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht. In diesem Zusammenhang ist der BGH dem vom Berufungsgericht angenommenen Erfahrungssatz, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung auszuschließen sei, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwerben wolle, dem eine Betriebsbeschränkung oder-Untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar sei, ob dieses Problem behoben werden könne, ausdrücklich beigetreten.

    Ebenso hat der BGH nunmehr klargestellt, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auch auf einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB anzuwenden sind, so dass der Käufer sich die gezogenen Nutzungsvorteile anrechnen lassen muss.

    Unter Zugrundelegung dieser Leitlinien dürften sich die noch anhängigen Individualverfahren von geschädigten Kraftfahrzeugkäufern nunmehr zügig abwickeln lassen. Ebenso dürften diese Grundsätze auch im Verhältnis zu anderen Fahrzeugherstellern gelten.

    Herbert Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/20

    Drucken | Teilen