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    Grundlegende Entscheidungen im Spruchverfahren: OLG Düsseldorf erteilt Zwangsvergleich klare Absage

    Eine Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen (z.B. Sqeueeze-out; Abschluss eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages) geht mit einem Eingriff in das Aktieneigentum der (außenstehenden) Aktionäre einher. Dies ist nur zulässig, wenn diese Aktionäre dafür eine volle Entschädigung erhalten, deren Angemessenheit sie in einem Spruchverfahren überprüfen lassen können. In einem derartigen Verfahren müssen sich die Aktionäre nach zwei neuen Entscheidungen des OLG Düsseldorf nicht auf einem gerichtlichen "Zwangsvergleich" einlassen.



    Wird nach Konzernierungsmaßnahmen in einem zur Überprüfung von Abfindung und Ausgleich betriebenen Spruchverfahren ein Vergleich mit einigen Antragstellern geschlossen, so stellt sich die Frage, ob dies für den oder die verbleibenden Antragsteller Auswirkungen auf das fortzusetzende Spruchverfahren hat. Sich nicht vergleichenden Antragstellern wird in der Praxis regelmäßig der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten. Zudem gibt es Bestrebungen in Rechtsprechung und Literatur, die im Vergleich mit den anderen Antragstellern vereinbarte Entschädigung als sogenannte "mehrheitskonsensuale Schätzung" auch gerichtlich festzusetzen, sodass die den Vergleich ablehnenden Antragsteller letztlich in einer Art gerichtlichem Zwangsvergleich das bekommen, was sie zuvor als Vergleichsvorschlag abgelehnt hatten.



    Das OLG Düsseldorf hatte in den Verfahren I-26 W 15/12 [AktE] und I-26 W 17/12 [AktE] zu entscheiden über zwei Spruchverfahren betreffend die Übernahme der Victoria Versicherung AG durch die ERGO-Versicherungsgruppe AG (Beherrschungs- und Gewinnabfindungsvertrag und Squeeze-out). Bis auf einen einzigen Antragsteller schlossen in beiden Spruchverfahren alle übrigen Antragsteller mit ERGO einen Vergleich, sodass die Verfahren nur noch auf Betreiben des einzigen verbliebenen Antragstellers fortgesetzt wurden. Das LG Düsseldorf setzte in beiden Verfahren die gerichtlich zu bestimmende angemessene Entschädigung exakt auf das fest, was in dem von dem verbliebenen Antragsteller abgelehnten Vergleich zugrundegelegt worden war.



    Durch seine am 08.08.2013 verkündeten weitgehend gleichlautenden Entscheidungen bestimmte das OLG Düsseldorf, dass dem verbliebenen Antragsteller nicht der Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs gemacht werden könne, da er einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf habe, gerichtlich feststellen zu lassen, ob die angebotene Entschädigung tatsächlich im verfassungsrechtlichen Sinne angemessen ist. Auch sei für die vom LG seinen Entscheidungen zugrunde gelegte sogenannte "mehrheitskonsensuale Schätzung" im Spruchverfahren ganz grundsätzlich kein Raum. Allein der Umstand, dass sich andere Aktionäre auf eine Entschädigung in einer bestimmten Höhe geeinigt hätten, lasse nicht den Schluss zu, dass diese Vergleichssumme auch angemessen ist, da auch subjektive Wertvorstellungen oder Sonderüberlegungen zum Vergleichsschluss motivieren können. Das OLG Düsseldorf hält daher einen solchen faktischen Zwangsvergleich des oder der verbliebenen Antragsteller durch gerichtliche Schätzung der angemessenen Abfindung und des angemessenen Ausgleich auf die Vergleichssumme mit dem verfassungsrechtlichen Sinn und Zweck des Verfahrens nicht vereinbar. Denn dieses Verfahren soll garantieren, dass außenstehende Aktionäre ein effektives Rechtsmittel an der Hand haben, um auch gegen den Willen des Großaktionärs durchzusetzen, dass sie tatsächlich einen angemessenen Gegenwert ihrer Beteiligung erhalten.



    Für die Praxis bedeutet das, dass nach Maßgabe der Rechtssprechung des OLG Düsseldorf sich die an einem Spruchverfahren beteiligende Aktionäre bei Vergleichsangeboten allein von ihrer Überzeugung über die Angemessenheit oder Unangemessenheit des Angebots leiten lassen können und sich nicht einer Mehrheitsmeinung der anderen Antragsteller unterordnen müssen. Freilich vertreten andere Gerichte wie etwa das OLG Celle eine andere Auffassung, sodass abzuwarten bleibt, ob sich die sehr überzeugend dargelegte Auffassung des OLG Düsseldorf durchsetzt.



    Dr. D. Lochner



    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/13

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