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    Neuregelung des Rechtsschutzes gegen Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss

    Grundlegend neu geregelt hat das Zukunftsfinanzierungsgesetz - ZuFinG (siehe Newsletter 5/2023) den Rechtsschutz gegen Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss. Das neue Recht gilt für alle Beschlüsse zur Kapitalerhöhung in Hauptversammlungen, die seit dem 15. Dezember 2023 einberufen worden sind.

    Nach bisherigem Aktienrecht (§ 255 AktG) sind Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss auch dann rechtswidrig und anfechtbar und damit nichtig, wenn der Ausgabebetrag der neuen Aktien unangemessen niedrig ist. Erhebt ein Aktionär Anfechtungsklage, ist die Durchführung einer Kapitalerhöhung typischerweise blockiert. Nach der überwiegenden Praxis geben die Oberlandesgerichte Kapitalerhöhungen mit Recht nicht im Freigabeverfahren zur Durchführung frei, wenn der Kläger hinreichend substantiiert die Unangemessenheit des Ausgabekurses rügt. Das Oberlandesgericht München hatte mit allem Recht festgestellt: Freigabeverfahren seien ein „fragwürdiges und wenig taugliches Instrument“ für Kapitalerhöhungen durch Einbringung eines anderen Unternehmens unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre; denn es würden „meist Bewertungsfragen inmitten stehen“; die ließen sich häufig in der für Freigabeverfahren vorgesehenen Drei-Monats-Frist nicht beantworten (Beschluss vom 18. Dezember 2013, – 7 AktG 2/13). Das realisierte bislang einen wirksamen Aktionärsschutz – freilich in der Praxis um den Preis, dass wirtschaftlich dem Grunde nach sinnvolle Kapitalerhöhungen an der Bewertungsrüge scheitern konnten.

    Unternehmenskreise und ihnen nahestehende Juristen hatten das schon jahrzehntelang kritisiert. Nun haben sie Erfolg. Für Bewertungsrügen steht nicht mehr die Anfechtungsklage zur Verfügung. Die Rügen können nur noch im Spruchverfahren geltend gemacht werden. Unausgesprochenes Ziel dieser Verschiebung ist, dass Oberlandesgerichte Kapitalerhöhungen mit zweifelhaftem Ausgabekurs freigegeben. Denn diesbezügliche Rügen gehören künftig nicht mehr in den Anfechtungsprozess und damit wohl auch nicht mehr ins Freigabeverfahren, sondern sind ausschließlich Sache des Spruchgerichts.

    Kritische Anmerkungen zur Neuregelung aus Sicht des Eigentumsschutzes der Aktiengesellschaft und ihrer (Alt-)Aktionäre finden sich in meinem Beitrag in der juristischen Fachzeitschrift AG 2024 S. 310-321. Der Beitrag kommt zu den folgenden Ergebnissen:

    1. An der Gleichwertigkeit des weithin in das Spruchverfahren verlagerten Vermögens- und Rechtsschutzes aufgrund der Novelle mit dem vorherigen Rechtsschutzkonzept bestehen beachtliche Zweifel. Das neue Prinzip „Kompensation statt Kassation“ vernachlässigt nämlich die Folge von Kapitalerhöhungen zu unangemessenen niedrigen Einlagen: die Verwässerung des Stimmrechts der Altaktionäre.

    2. Die Bestimmung des Barausgleichsanspruchs der Altaktionäre nach § 255 Abs. 4 AktG und Gewähr zusätzlicher Aktien nach § 255a AktG muss einen vollen Ausgleich für ihre vermögensmäßige Einbuße durch eine Kapitalerhöhung gewährleisten, bei der der auf eine junge Aktie entfallende Wert unangemessen niedrig war.

    3. Die Bestimmung der Höhe des Ausgleichs muss berücksichtigen, dass die Altaktionäre den Ausgleich wirtschaftlich selbst mit aufbringen, wenn ihre AG den Ausgleich leistet, wie dies die Neuregelung vorsieht. Die hat nämlich den noch im Gesetzesentwurf vorgesehene Pflicht gestrichen, dass die „wirtschaftlichen Profiteure“ (Jens Lieder) einer Kapitalerhöhung mit unangemessen niedriger Einlage Ausgleich leisten müssen.

    Insoweit stimmt meine Sicht der in derselben Ausgabe der Zeitschrift Die Aktiengesellschaft veröffentlichten Sichtweise von Prof. Dr. Dirk A. Verse überein; Verse ist Universitätsprofessor an der Universität Heidelberg. Der schreibt mit Recht: „Da der Barausgleich aus dem Vermögen der AG geleistet wird und … kein Rückgriff der AG gegen den Inferenten vorgesehen ist, ergibt sich der Effekt, dass die Ausgleichszahlung mittelbar den Wert der Beteiligung der Aktionäre schmälert. Für die ausgleichsberechtigten Aktionäre bedeutet dies, dass sie den Barausgleich in Höhe ihrer Beteiligungsquote gleichsam ‚aus eigener Tasche‘ bezahlen. … Allerdings findet sich in ... Rechtsprechung und im Schrifttum … zu § 15 UmwG … die … Position, die sich für eine ausgleichserhöhende Berücksichtigung des Selbstfinanzierungseffekts ausspricht. Nur diese Auffassung überzeugt sowohl für § 15 UmwG als auch für § 255 Abs. 4 AktG, da nur sie dem Normzweck Rechnung trägt, den ausgleichsberechtigten Anteilseignern eine wirtschaftlich vollwertige Kompensation für das unangemessene Umtauschverhältnis zu verschaffen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum es dem Normzweck entsprechen sollte, die ausgleichsberechtigten Anteilseigner auf einem u.U. ganz erheblichen Teil ihres Schadens sitzen bleiben zu lassen.“ (AG 2024 Seite 310 Rn. 27 ff.)

    4. Obgleich dem ZuFinG für Fälle des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses (d.h. Kapitalerhöhungen im Volumen von seit der Neuregelung bis zu 20 Prozent des Grundkapitals gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG, wenn der Ausgabekurs den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet) eine empfindliche „Rechtsschutzverweigerung“ vorzuwerfen ist (so der Kölner Universitätsprofessor Prof. Dr. Jens Koch in seinem Kommentar zu § 255 AktG), besteht immerhin noch begrenzter Rechtsschutz der Altaktionäre durch (Anfechtungs-)Klage. In dieser Hinsicht stimmt meine Bewertung mit der vom Freiburger Ordinarius Prof. Dr. Jan Lieder in der ZHR 188 (2024) S. 186 ff. überein. Lieder hält wie ich auch Schadensersatzansprüche der geschädigten Altaktionäre für denkbar.

    5. Organmitglieder können für den Schaden der AG durch Ausgabe junger Aktien unter Wert haften.

    6. Der durch das ZuFinG eingeführte Grundsatz der Maßgeblichkeit des Börsenpreises bei börsennotierten AG begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.

    Dr. Thomas Heidel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/24

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