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Sonderprüfer – Stumpfes Schwert oder effektives Kontrollinstrument?
Mit der Sonderprüfung nach § 142 AktG ff. soll den Aktionären ein Kontrollinstrument an die Hand gegeben werden, um die Sachverhaltsaufklärung bei dem Verdacht eines pflichtwidrigen Organhandelns sicherzustellen. Der Sonderprüfer soll durch seine Sachverhaltsaufklärung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorbereiten. Dies dient auch dem präventiven Schutz vor zukünftigen Pflichtverletzungen. Nach den eindeutigen gesetzlichen Regelungen ist der Sonderprüfer also ein die Aktionärsminderheit schützendes Rechtsinstitut. Dieses gesetzliche Leitbild wird in der Praxis noch konterkariert, ein Umdenken setzt gerade erst ein.
Nach § 145 Abs. 1 AktG ist der Sonderprüfer berechtigt, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen und die Gesellschaftskasse zu prüfen. Von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats kann der Sonderprüfer nach § 145 Abs. 2 AktG alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, die zur sorgfältigen Prüfung notwendig sind. Die gesetzlichen Regelungen räumen dem Sonderprüfer also umfassende Informationsrechte ein.
Nach tradierter Rechtsfassung der Literatur und nun auch zweier Entscheidung des LG München (Beschluss vom 10. September 2019, Az.: 5 HK O 11537/19) bzw. des OLG München (Beschluss vom 4. November 2019, Az.: 7 W 1118/19) sollen die Informationsrechte nach § 145 Abs. 1 und 2 AktG nicht gerichtlich einklagbar sein. Der Sonderprüfer könne nach dieser Rechtsauffassung allein die Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 407 AktG gegen die nicht kooperierenden Vorstandsmitglieder anregen. Insbesondere bezüglich der Aufsichtsratsmitglieder sei er jedoch auf die Kooperationsbereitschaft angewiesen, da eine Zwangsgeldfestsetzung gegen diese gesetzlich nicht vorgesehen sei. In der Literatur wird für diese erstaunliche und nicht unmittelbar einleuchtende Auffassung keine Begründung gegeben. Das LG München hat seine Auffassung im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Zwangsgeldfestsetzung ein abschließendes Verfahren zur Durchsetzung vorgesehen sei. Das OLG München verweist zudem darauf, dass der Gesetzgeber die Regelungen des § 145 AktG als „stumpfes Schwert“ ausgestaltet habe. Verweigerten die Vorstand- oder Aufsichtsratsmitglieder die Kooperation würde dies – einen wirksamen Bestellungsbeschluss des Sonderprüfers vorausgesetzt – belegen, dass sie „etwas zu verbergen“ hätten. Würde der Sonderprüfer dann hierüber an die Hauptversammlung berichten, hätte die Sonderprüfung – so das OLG München – indirekt ihren Zweck erfüllt.
In der Literatur stößt diese Rechtsauffassung zunehmend auf Ablehnung. Mock (NZG 2019, 1161) und Harnos (FS Seibert, 2019, S. 309, 322) belegen eingehend, dass die Rechte des Sonderprüfers gemäß § 145 AktG gerichtlich durchsetzbar sind. Auch Koch in seinem Standardkommentar Hüffer/Koch zum Aktiengesetz hat sich dieser Auffassung in der aktuellen Auflage angeschlossen. Dem ist zuzustimmen. Die herrschende Rechtsaufassung hat das widersinnige Ergebnis, dass dem Sonderprüfer dezidiert Informationsrechte eingeräumt werden, ihm aber eine effektive Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung verwehrt wird. Das ist besonders erstaunlich, weil jegliche dogmatische Grundlage für diese Rechtsauffassung fehlt. So bieten weder der Wortlaut des § 145 AktG noch die Gesetzessystematik eine Grundlage für die Verneinung der gerichtlichen Durchsetzbarkeit. Auch ist allgemein anerkannt, dass das Zwangsgeldverfahren dem öffentlichen Interesse dient und gerade nicht die Durchsetzung individueller Rechte ausschließt. Geradezu zynisch mutet es an, wenn festgestellt wird, dass der Zweck der Sonderprüfung indirekt erfüllt sei, wenn der Sonderprüfer über die fehlende Kooperationsbereitschaft der Organmitglieder berichte, weil dann belegt sei, dass diese etwas zu verbergen hätten. Zweck der Sonderprüfung ist die Aufklärung eines konkreten Sachverhalts, aus dem sich möglicherweise Haftungsansprüche gegen pflichtwidrig handelnde Organmitglieder ergeben könnten. Kooperieren die Organmitglieder nicht mit dem Sonderprüfer und verweigern die Auskunft, dann bleibt der Sachverhalt unaufgeklärt. Der Zweck der Sonderprüfung wird also vollständig verfehlt. Die Sonderprüfung dokumentiert in diesem Falle dann nur, dass die Organmitglieder eine weitere Pflichtverletzung begangen haben.
Die derzeit herrschende Auffassung zur Durchsetzung der Rechte des Sonderprüfers ist unbefriedigend. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass das einsetzende Umdenken in der Literatur sich fortsetzt und Gerichte den Mut finden, die tradierte Rechtsauffassung in Frage zu stellen. Dann kann auch der Sonderprüfer – ähnlich dem besonderen Vertreter – ein effektives Mittel zum Minderheitenschutz im Aktienrecht werden.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/20
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