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    VW-Dieselskandal: Zeugnisverweigerungsrecht des früheren Vorstandsvorsitzenden Winterkorn entbindet VW nicht von sekundärer Darlegungs- und Beweislast

    Dass das Zeugnisverweigerungsrecht des Vorstandsvorsitzenden die sekundäre Darlegung- und Beweislast nicht entfallen lässt, hat der BGH mit Urteil vom 04.05.2021 – VI ZR 81 / 20 – entschieden. Der Kläger hat im März 2015 einen von der Beklagten hergestellten Pkw, der mit dem Dieselmotor EA 189 ausgestattet war, erworben. Der Motor war mit einer „Schummelsoftware" ausgerüstet, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befand. Im Prüfungsmodus schaltete die Software auf einen niedrigeren Stickoxid-Ausstoß als im Normalbetrieb.

    Der Kläger hat die Beklagte als Herstellerin auf Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges, Zahlung von Zinsen, Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie Feststellung des Annahmeverzuges in Anspruch genommen. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen.

    Im Laufe des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht München hatte der Kläger so substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der im März 2015 amtierende VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn vorsätzlich gehandelt habe, so dass das OLG sich veranlasst sah, diesen als Zeugen zu laden. Dieser machte jedoch wegen gegen ihn laufender Straf- und Ermittlungsverfahren umfassend von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO Gebrauch.

    Die Berufung wurde daraufhin vom OLG mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Kläger Erleichterungen im Rahmen der sekundären Darlegungslast- und Beweislast nicht zugutekämen. Zweck der sekundären Darlegungslast sei es nicht, einer Partei, die ihren Vortrag nicht beweisen könne, weitere Tatsachen in die Hand zu geben, welche einen erneuten und weiteren Vortrag ermöglichten. Zudem habe die Beklagte geltend gemacht, alles Zumutbare und Mögliche getan zu haben, um die tatsächlichen Geschehnisse aufzuklären. Hiergegen sei kein Berufungsangriff erfolgt.

    Ein Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB scheide aus, da der geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzzweck des § 826 gedeckt sei.

    Dem hat der BGH jedoch eine Absage erteilt:

    Bereits mit seinen Urteilen vom 25.05.2020 – VI ZR 252 / 19 –, vom 30.07.2020 – VI ZR 367 / 19 – und vom 26.01.2021 – VI ZR 405 / 19 – hatte der BGH ausgesprochen, dass das Handeln von VW als sittenwidrig zu qualifizieren war. Er hatte in diesen Entscheidungen den jeweiligen Klägern Beweiserleichterungen aufgrund der sekundären Darlegungs- und Beweislast zugebilligt, da die Frage, wer die Entscheidungen über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Beklagten getroffen und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte, unternehmensinterne Abläufe und Entscheidungsprozesse betreffe. Diese entzögen sich aber der Kenntnis und dem Einblick der geschädigten Kunden, während für die Beklagte demgegenüber Vortrag hierzu möglich und zumutbar gewesen sei.

    Dies hat der BGH in seiner jetzigen Entscheidung nochmals bekräftigt. Ergänzend hat er ausgeführt, dass der Anwendung der Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht entgegenstehe, dass der Kläger seinen Vortrag hinsichtlich des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten soweit substantiieren konnte, dass das Berufungsgericht sich zunächst veranlasst sah, ihn als Zeugen zu laden. Alleine der Umstand, dass Herr Winterkorn zunächst als Zeuge geladen wurde, bevor er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berief, entbinde VW nicht von der sekundären Darlegungslast hinsichtlich des Vorstandes im Übrigen. Andernfalls wäre der außerhalb des maßgeblichen Geschehens stehende Geschädigte schutzlos gestellt, wenn er in Bezug auf eine der handelnden Personen ausreichende Anhaltspunkte für (möglicherweise) strafbares Verhalten vortragen könne, diese Personen jedoch wegen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung gemäß § 384 Nr. 2 ZPO als Zeuge nicht zur Verfügung stünden. Dies sei mit den verfassungsrechtlich geschützten Rechten auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtschutz nicht vereinbar.

    Der BGH hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.

    H. Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/21

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