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Spruchverfahren: BGH hält an Bewertung nach Börsenkurs selbst bei entgegenstehendem Sonderprüfungsbericht fest
Der BGH hat inzwischen schon mehrfach eine Überprüfung der angemessenen Abfindung allein anhand des Börsenkurses akzeptiert. Im Fall Kabel Deutschland tat er dies, obwohl ein gerichtlich bestellter Sonderprüfer eine Marktmanipulation attestierte.
Durch Beschluss vom 31. Januar 2024 (II ZB 5/22) entschied der BGH über ein Spruchverfahren im Nachgang eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der Kabel Deutschland AG und Vodafone. Erste Veröffentlichung zu einer möglichen Übernahme gab es bereits mehr als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag im Februar 2014. Zudem wurde durch das Landgericht München ein Sonderprüfer bestellt, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandels im Vorfeld der Übernahme zu überprüfen. Der Sonderprüfer gelangte zu der Feststellung, dass die Verwaltung die erheblichen Wachstumspotentiale der Gesellschaft dem Markt vorenthalten habe, verbunden mit dem Vorwurf der Marktmanipulation.
Gleichwohl bestätigte der BGH die von den Spruchgerichten vorgenommene Überprüfung des „wahren Werts“ anhand des Börsenkurses als Schätzungsmethode des Unternehmenswertes. Die Marktteilnehmer würden aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen die Ertragskraft des Unternehmens zutreffend bewerten; dafür sei nicht erforderlich, dass der Kapitalmarkt streng informationseffizient sei und alle prinzipiell zugänglichen Informationen korrekt in den Kursen verarbeitet seien. Nur wenn nicht mehr von der Möglichkeit ausgegangen werden könne, dass der Börsenkurs eine verlässliche Aussage über den Unternehmenswert erlaube, könne der Börsenkurs nicht mehr herangezogen werden.
Nach Auffassung des Verfassers ist diese Entscheidung klar verfassungswidrig. Sinn und Zweck des Spruchverfahrens ist es, Aktionären effektiven Rechtsschutz gegen den Missbrauch von Mehrheitsmacht zu gewähren, damit sie zur Kompensation des erlittenen Eigentumseingriffs den „wahren Wert“ ihrer Beteiligung erhalten. Hier konnten die Aktionäre zum einen aufzeigen, dass der Börsenkurs sogar schon mehr als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag durch Veröffentlichungen der späteren Maßnahme beeinflusst war. Darüber hinaus war es ihnen gelungen, das Maximum an Erkenntnisgewinnung durch Aktionäre auszuschöpfen – eine Sonderprüfung. Diese führte zur Feststellung einer Marktmanipulation. Wenn all dies nicht einmal ausreicht, um die Eignung des Börsenkurses als Bewertungsgrundlage zu erschüttern, stellt sich die Frage, wann es überhaupt denkbar ist, dass Aktionäre die bloße „Möglichkeit“ einer effektiven Informationsbewertung durch den Markt angreifen können. Nach Auffassung des Verfassers entfernt sich der BGH damit nicht nur von den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch von der wirtschaftswissenschaftlichen Bewertungstheorie und Praxis, die aber Grundlage der Wertbestimmung im Spruchverfahren sein muss.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung Bestand haben wird. Andernfalls ist spätestens jetzt der Gesetzgeber gefragt, das Spruchverfahren wieder als effektiven Rechtsschutz für Aktionäre auszuformen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/24
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