BEITRÄGE ZUM THEMA Komplexe Prozessführung
Zwar ist noch offen, ob Aktionären Schadenersatzansprüche gegen die Wirecard AG zustehen. Nach einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts München I sollen Forderungen, die auf der Aktionärsstellung beruhen, zu denen das Landgericht Schadensersatzansprüche zählt, nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden können; sie würden vielmehr erst ganz am Schluss bei der Verteilung eines etwaigen Überschusses der Insolvenzmasse berücksichtigt. Setzte sich die Sicht des Landgerichts durch, würden die Aktionäre mit ihren Forderungen gegen die Gesellschaft insoweit wohl faktisch leer ausgehen.
Unter dieser Überschrift erläuterte kürzlich der langjährige FAZ-Wirtschaftsredakteur Professor Joachim Jahn, nun Mitglied der Chefredaktion der NJW, eine aktuelle Entscheidung des BGH zur Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags: Verletzt der Anwalt seine Pflicht, kann der Dritte Schadensersatzansprüche gegen den Anwalt haben. Jahn relativiert in seinem Beitrag mit Recht seine nur leicht zugespitzte Überschrift zur Grundaussage des BGH etwas: Im Kleingedruckten des Urteils werde die „Regress-Bombe etwas entschärft“.
Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers spielt in der Praxis eine zentrale Rolle. Während es in der Vergangenheit ganz überwiegend um Konstellationen ging, bei denen der Geschäftsführer selbst unmittelbar den Schaden herbeigeführt hat (etwa Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen), haben sich die Gerichte zunehmend mit Fallkonstellationen zu beschäftigen, in denen dem Geschäftsführer (lediglich) vorgeworfen wird, Organisationspflichten verletzt zu haben. Mit einer derartigen Fallkonstellation befasst sich das Urteil des OLG Nürnberg vom 30.03.2022 (Az 12 U 1520/19). Ein Schaden von über 700.000 € war durch das – zumindest fahrlässige – Verhalten eines Mitarbeiters der Gesellschaft entstanden. Die Gesellschaft nahm aber auch ihren Geschäftsführer als wirtschaftlich potenteren Schuldner in Anspruch und warf ihm vor, seine Pflichten im Rahmen der internen Unternehmensorganisation verletzt zu haben.